In vino veritas – aber auch viele Irrtümer!

Eine Snackplatte mit verschiedenen Weinen in der Natur
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Dass Wein-Irrtümer mitunter tödlich sein können, wusste schon James Bond: Rotwein zum Fisch hätte ein echter Brite nie geordert! Im Speisewagen verrät sich so der feindliche Agent Grant („Liebesgrüße aus Moskau“) – diese Mahlzeit ist die letzte seines Lebens. Solide Weinkenntnisse können aber auch außerhalb des Kinos hilfreich sein!

Beim Wein lernt man nie aus. Und selbst erfahrene Fachleute können sich irren. Diese beiden Wahrheiten sollten sich Novizen ebenso wie „Weinnasen“ stets vor Augen halten. Wein ist ein göttliches Getränk – zumindest eines mit eigener Gottheit – dem man mit Demut begegnen sollte. Doch wer angesichts des weiten Feldes Wein Orientierung sucht, hält sich gerne an vermeintliche Tatsachen und Regeln. Wenn diese freilich überkommen oder einfach unwahr sind, ist guter Rat teuer und ein Weinseminar nicht die schlechteste Idee.

Der passende Wein zum Essen sollte gut gewählt sein 

Rotwein zum Fleisch, Weißwein zum Fisch – so lautet eine alte Faustregel, die aus heutiger Sicht differenzierter zu betrachten ist. Fruchtige, leicht gekühlte Rotweine können zum Fisch sehr gut passen – hier kommt es auf dessen Zubereitung an. Ebenso wie bestimmte, etwa im Barrique ausgebaute Weißweine mit manchem Fleisch harmonieren. Hartnäckig hält sich auch der Glaube in den Köpfen, dass eine Spätlese stets süß sei. Mitnichten! Heute können die Reinzuchthefen mehr Zucker verdauen als früher, sodass Spätlesen und sogar Auslesen nicht selten trocken angeboten werden. Nur höhere Prädikate wie Beeren-, Trockenbeerenauslesen und Eisweine sind prinzipiell sehr (edel-)süß. Das sollen und müssen sie als klassische Dessertweine auch. Denn die Süße in Speisen hebt die Süße im Wein geschmacklich teilweise auf, weswegen trockene Weine zu Kuchen nicht gut schmecken. Es sei denn, man kombiniert einen reifen trockenen Roten mit einer Schokolade – die allerdings einen hohen Kakaoanteil haben sollte. Das funktioniert!

Chemiestunde zum Thema Zucker

Beim Thema Süße äußert sich häufig der Verdacht, der Winzer habe durch Hineinschütten von Zucker nachgeholfen. Falsch: Die meisten Weine erhalten ihre Süße durch das rechtzeitige Abstoppen der Gärung (durch Kühlung). Auf diese Weise bleibt ein Teil des von den Trauben gebildeten Zuckers unvergoren, der sogenannte „Restzucker“. Süße Weine sind also nicht „schlechter“ als trockene, wie manche meinen. Die (nur bei Qualitäts-, nicht bei Prädikatsweinen erlaubte) Praxis des Aufbesserns eines Traubenmostes durch Zugabe von Zucker vor der Gärung, um mehr Alkohol zu erzielen, hat damit nichts zu tun. Bei diesem sogenannten Chaptalisieren soll der zugegebene Zucker gerade vergoren werden. Es entstehen also trockene Weine. Dadurch kann allerdings ein einfacher Qualitätswein mehr Alkohol enthalten als eine teurere Spätlese. Der Alkoholgehalt ist folglich kein Qualitätskriterium.

Trocken ist nicht gleich trocken

Die im Wein enthaltene Säure ist maßgeblich daran beteiligt, wie stark wir eventuell vorhandene Süße wahrnehmen. Bei trockenen Weinen soll keine Süße zu schmecken sein. Doch die Geschmacksbezeichnung „trocken“ erlaubt beim Sekt einen maximalen Restzuckergehalt, der bei einem Stillwein schon im lieblichen Bereich läge. Das bewirkt die Kohlensäure. Wer also einen Sekt sucht, der vom Zuckergehalt her so trocken wie ein „trockener“ Wein ist, muss die Geschmacksstufe Brut wählen. Ein als „trocken“ bezeichneter Sekt ist also gar nicht so trocken, wie man denkt. Dieser „Irrtum“ hat seinen Grund in den komplizierten Bezeichnungen. Wussten Sie, dass die modische Bezeichnung „feinherb“ letztlich nichts anderes als „halbtrocken“ bedeutet?

Muss ein Wein atmen?

Apropos Etikett: Hat das Etikett oder die Flasche Auswirkungen auf die Qualität des Weins? Natürlich nicht. Und doch gibt es die Meinung, ein Drehverschluss sei nur etwas für „billige“ Tropfen? Hier spielt die liebe Gewohnheit eine Rolle. Auf den Naturkorken mit seinem „Plopp“ möchten traditionell eingestellte Liebhaber ungerne verzichten. Doch andere Verschlusstypen leisten heute ebenso gute Dienste. Sogar Kunststoffstopfen, die heute meist aus recyclebarem Material bestehen, lassen Weine „atmen“ – gerade so viel wie nötig. Stichpunkt: Ein Wein muss „atmen“. Richtig ist, dass geringe Mengen Sauerstoff der Reifung und dem Geschmack förderlich sind. Um mehr Luftkontakt zu ermöglichen, sind Weingläser bauchig. Aber zu viel führt zum unerwünschten Oxidieren des Weins – wie jeder merkt, der eine offene Flasche zu lange im Kühlschrank stehen ließ. Und was ist mit der Weisheit, der Wein würde besser werden, je älter er ist? Auch das ist so nicht korrekt. Der Faktor Zeit muss für jeden Wein differenziert betrachtet werden. Nicht jeder Wein ist für lange Lagerzeiten gemacht. Und jeder Wein hat seinen Reifehöhepunkt. Danach geht es geschmacklich bergab. Deswegen sollten manche Weine lieber jung getrunken werden.

Professionelle Wissensvermittlung ist auch eine wichtige Säule der SIMEI@drinktec. Das umfangreiche Programm der SIMEI Knowledge & Innovation Area, mit hoch spezialisierten Seminaren und Workshops, bietet Besuchern Beiträge von herausragenden Experten aus Industrie und Wissenschaft sowie Vertretern internationaler Institutionen aus der ganzen Welt. Und wem das dann „zu trocken“ wird, kann in der SIMEI Sensory Bar ein paar edle Tropfen probieren.

Dr. Rolf Klein

Der freiberufliche Weinjournalist war bis 2006 Chefredakteur der Weinwelt und bloggt über aktuelle Trendthemen aus der Welt der Weine und Winzer.