Pet Nat – zurück zur Natur

Weintrauben
© pixabay / User: Jill Wellington

Die Methode ist nichts Neues und doch sieht es so aus, als habe erst gestern jemand einen genialen Einfall gehabt. Die Rede ist von den „Pet Nat“, die auf eine jahrhundertealte Weinherstellungsmethode zurückgreift und einen mehr oder minder schäumenden, meist hefetrübe Wein liefert.

In jüngerer Zeit geht die Wiederentdeckung der „Pétillant Naturel“ (deutsch: Natürlich prickelnd) auf Winzer von der Loire zurück, die in den 1990er Jahren damit Furore machten. Sie füllten, wie es Jahrhunderte vorher im Langudeoc, in der Champagne und vielen anderen Weinregionen Europas üblich war, den bereits gärenden Most in Flaschen ab und ließen in darin zu Ende gären. Die Resultate waren hefetrübe Weine, die mal mehr mal weniger schäumten.

Beim Öffnen der Flaschen war in jedem Fall Vorsicht angebracht, denn durch die im Wein enthaltenen Hefen und oft noch enthaltene Weinsteinkristalle hat die druckerzeugende Kohlensäure jede Menge Kristallisationspunkte. Das Ergebnis: Es kann zu einem schlagartigen Entspannen der Kohlensäure führen – es sprudelt und schäumt also.

Neu ist die Methode der Pet Nat auf jeden Fall nicht. Sie entstand zu einer Zeit, als erste Glasflaschen in Mode kamen und die Winzer noch gärende Weine oder sogar frische Moste in Flaschen füllten. Damals herrschte noch Unkenntnis, was bei der alkoholischen Gärung passiert und wie sie je nach Kellertemperatur früher oder später eintritt. Da die Flaschen mit Korken und Kordeln fest verschlossen wurden, blieb die entstehende Kohlensäure in den Flaschen und führte nach dem Öffnen zum Schäumen und erfrischenden Perlen der Kohlensäure; sofern sie nicht platzten. Kein Wunder, dass derart hergestellte Weine, da selten und kostbar, sich höchster Beliebtheit erfreuten und das Öffnen lange Zeit den Königen vorbehalten war.

Pet Nat profitiert vom Naturwein-Trend

Als neuer Trend auf Basis uralter Herstellungsmethoden machen die Pet Nat Weine seit einigen Jahren auch außerhalb Frankreichs von sich Reden. „Natürlich prickelnd“ verbindet sich so kongenial mit der Naturweinszene, der Bewegung zu schwefelfreien oder so gut wie naturbelassenen Weinen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der Trend in alle Weinbauländer der Welt schwappt. Vor allem von biodynamisch wirtschaftenden Winzern wurde die Erzeugung der Pet Nat begeistert aufgegriffen.

Die Idee, den bei der Kelterung der Trauben gewonnenen Most praktisch sich selbst zu überlassen, entspricht ganz der Philosophie des Naturbelassenen: ohne künstliche oder technische Eingriffe, ohne oenologische Manipulationen und dazu von Beginn an in einer Flasche.

Herstellung durch einmalige Fermentation

Die Frage ist, was die Pet Nat Weine so besonders macht und wie die Konsumenten darauf reagieren? Die Einzigartigkeit liegt zweifellos in der Entscheidung des Winzers, ein schäumendes, alkoholisches Getränk im Zuge einer einzigen Fermentation zu erzeugen. Während beim üblichen Schaumwein die Basis der Produktion ein durchgegorener Grundwein ist, der keinen Zucker mehr enthält, entstehen Pet Nat ohne nochmals Zucker oder süßen Most hinzuzufügen.

Beim Pet Nat basiert die Herstellung im Unterschied zu den Schaumweinen auf einer einzigen Gärung, die direkt mit süßem Most beginnen kann. In der Regel wird jedoch ein bereits in Gärung befindlicher Wein in Flaschen abgefüllt, in der dann die bereits laufende Gärung bis zum restlosen Verbrauch des noch im Jungwein vorhandenen Zuckers abläuft. Das Ergebnis ist dann ein trockener Pet Nat der Geschmacksrichtung brut nature. Etwas anders läuft die übliche Schaumweinherstellung ab, bei der dem Wein nach der ersten Gärung eine genau berechnete Menge Hefe und Zucker zugegeben wird, um die zweite, die sogenannte „Schaumweingärung“ einzuleiten.

Diese sorgt dann durch die gebildete Kohlensäure für den erforderlichen Überdruck, durch den das typische Prickeln und Schäumen entsteht. All dies erfordert eine ausgeklügelte Technik und eine Menge Arbeitsschritte, die in den beiden wichtigsten Herstellungsverfahren der traditionellen oder klassischen Methode oder der Tankgärmethode (auch als Methode Charmat bekannt) vielfach angewandt wird. Ihren Ursprung hat die klassische Methode in der Champagne. Der Begriff „Methode Champenoise“ ist jedoch nur Schaumweinen aus der Champagne vorbehalten.

Abhängig von Philosophie und Ziel des Winzers wird ein Pet Nat entweder ein leicht moussierender „Stillwein“, prickelnder Perlwein oder spritziger Schaumwein. Bis 2,5 bar Druck handelt es sich um einen Perlwein, ab 3 bar Überdruck um einen Schaumwein. Meist handelt es sich bei den Pet Nat inzwischen um Schaumweine, die wie Sekt (der gesetzliche Begriff ist Qualitätsschaumwein) einen Überdruck von über 3,5 Bar aufweisen.

Most und Druck bestimmen den Charakter

Das grundsätzliche Verfahren der Pet-Nat-Herstellung kann man natürlich in einer Vielzahl an Varianten abwandeln. Füllt man süßen Most als Grundlage in die Flaschen, hängt es vom Mostgewicht oder besser gesagt Zuckergehalt des Mostes ab, bis zu welchem Grad die Hefen den Zucker in der druckfesten Flasche vergären. Das können 5 bis 7 Bar Überdruck sein und ein je nach Endvergärung verbleibender Zuckergehalt von wenigen Gramm bis zu 30, 40 oder mehr Gramm Zucker. Dieser besteht dann überwiegend aus Fructose, da die Hefezellen vorzugsweise zuerst die im Most vorhandene Glucose verbrauchen. Die verbleibende Fructose verleiht den „natürlich prickelnden“ Schaumweinen dann auch eine stärker fruchtbetonte Aromatik.

Ausgangspunkt aller oenologischen Überlegungen ist also der für die Pet Nat ausgewählte Most. Außerdem ist entscheidend, bis zu welchem Vergärungsgrad oder Verzehr des Zuckers die Gärung abläuft und ab wann der gärende Most oder Jungwein in die hermetisch verschlossenen Flaschen gefüllt wird. So kann der Oenologe auch eine Maischegärung vorausgehen lassen und den angegorenen Wein erst nach ein paar Wochen von der Maische trennen und erst dann als „teilweise angegorener Wein“ auf Flaschen füllen.

Letzter Feinschliff durch Degorgieren

Pet Nat Wein
© Weingut am Stein / pure & naked

Aber selbst ganz zum Schluss lässt sich das Produkt noch einmal verändern. Auch ein Pet Nat Wein kann degorgiert werden, was bei den traditionellen Produkten heute die übliche Methode ist. Dazu wird wie bei der klassischen Methode die Flasche auf den Kopf gestellt und abgerüttelt. Die abgesetzte Hefe sammelt sich weitgehend im Flaschenkopf und lässt sich in einem Eisbad zu einem Hefepfropfen gefrieren, der sich durch das bei der klassischen Methode bekannte Degorgieren entfernen lässt. Man gewinnt je nach verwendetem Grundwein und der verwendeten Hefe ein mehr oder weniger klares Produkt, das durch Zugabe der sogenannten Dosage sogar wieder etwas gesüßt werden kann.

Bei den Pet Nat Weinen, bei denen kein Degorgement durchgeführt wurde, sammelt sich die Hefe im Laufe der Zeit auf dem Flaschenboden und bleibt als Depot zurück – ähnlich der Trübung beim Weißbier.

Restsüße, Überdruck und mehr oder minder starkes Schäumen sind die eine Seite der Pet Nat, die verwendeten Rebsorten und die Art des Ausgangsmostes die andere. Deshalb ist die Bandbreite unterschiedlicher Pet-Nat-Varianten groß und reicht von hellen, fast klaren, fruchtig-hefigen Spielarten mit mehr oder weniger typischen Fermentationsnoten bis zu dunkelbraunen, erdig-würzigen bis nussigen Weinen. Eines ist allen Pet Nat jedoch gemein: Einmal auf die Flasche gefüllt, läuft der biologische Fermentationsvorgang eigenständig ab.

Wer mehr über Pet Nat, Naturwein und deren Herstellung erfahren möchte, wird auf der drinktec vom 4. bis 8. Oktober 2021 auf dem Messegelände in München fündig. Sie suchen auch nach einer Plattform, um Ihre Innovation in diesem Bereich vorzustellen? Dann seien Sie auf der nächsten drinktec mit dabei.

Dr. Hermann Pilz

Seit mehr als 20 Jahren leitet Dr. Hermann Pilz als Chefredakteur die Fachzeitschrift WEINWIRTSCHAFT und schreibt leidenschaftlich gerne über die verschiedensten Themen der Wein- und Spirituosen-Branche.