Glühwein-Markt: Innovativer denn je

Glühwein Markt: Innovativer denn je
© Dr. Hermann Pilz

Als eines der innovativsten Heißgetränke hat Glühwein in den letzten fünfzig Jahren eine erstaunliche Karriere hingelegt. Entdeckt wurde das Getränk für den Endverbrauchermarkt in Form fertig verpackter Erzeugnisse in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auf den alten traditionellen Weihnachtsmärkten. Glühwein war dort zum Renner geworden. Ab den sechziger Jahren entwickelten findige Kellereimeister einiger Importweinkellereien in Bayern Rezepturen für fertigen Glühwein. Sie füllten in Flaschen, was bislang in kleinen Gebinden aus Rotwein, Zitrusfrüchten, Kristallzucker und den traditionellen Gewürzen wie Zimt, Nelken oder Kardamom gekocht wurde.

Die Idee verbreitete sich rasch. Fertiger Glühwein wurde zum Kassenschlager für den Lebensmittelhandel. Auf rund 80 Millionen Liter schätzen Experten heute alleine den Glühweinabsatz in Deutschland, der hauptsächlich in der Saison vor Weihnachten konsumiert wird. Davon dürften Schätzungen zufolge etwa 50 Millionen Liter über die Absatzkanäle des Lebensmittelhandels, rund die Hälfte davon im Discounthandel, und weitere rund 30 Millionen Liter auf den inzwischen bundesweit etablierten Weihnachtsmärkten getrunken werden.

Weihnachtsmärkte setzen sich international durch

Auf rund 4.000 Weihnachtsmärkte schätzt die Gastronomiebranche die Zahl der Veranstaltungen. Weihnachtsmärkte haben sich inzwischen als deutscher Exportschlager im Ausland einen Namen gemacht. Ob in Paris, London, New York oder Amsterdam – Weihnachtsmärkte haben in der Zeit von Mitte November bis Jahresende und darüber hinaus Konjunktur. Binnen weniger Wochen werden Millionenumsätze erzielt. Kein Wunder, dass die Branche eine Innovation nach der anderen auf den Markt bringt und Glühwein längst nicht mehr nur billiger Rotwein mit viel Süße und irgendeiner Aromatisierung ist.

Die günstigen Produkte gibt es nach wie vor, aber das Uptrading hat die ganze Branche erfasst, Großkellereien genauso wie Winzer, die mit ihren Winzerglühweinen den Markt befeuern und auf individuelle Qualität setzten. Bei Glühweinen aus Winzerhand oder den Winzergenossenschaften steht die Qualität im Vordergrund: Neben guten Zutaten kommt es schließlich auf den verwendeten Grundwein an.

Große Produktvielfalt

Die Branche ist in jedem Fall erfinderisch, ob traditioneller Erzeuger oder Newcomer im Markt. Der Konsument muss auf kaum eine Geschmacksvariante verzichten. Die Bandbreite der Winterserien reicht vom klassischen Glühwein über Heißer Hugo, Bratapfel Punsch, Granatapfel, Heiße Orange bis hin zu Apfel-, Zimt, Heidelbeer- oder Kirschglühwein. Hinzu kommen kreative Produkte wie der „Glüh-Elch“ für jüngere Zielgruppen, die der Nürnberger Marktführer Gerstacker neben seinem umfangreichen übrigen Sortiment auf den Markt bringt. Bio-Glühwein ist heute genauso selbstverständlich im Sortiment des Handels zu finden wie Glühwein mit Schokoaroma, der einprägsam schon mal als „Choco Rosso“ vermarktet wird. Auch veganer Glühwein und alle Varianten von Punsch, ob solo als Weißwein mit Zitrus oder Kräuteraroma oder als Rum- oder Amaretto-Variante sind im Handel erhältlich.

Was steckt den nun drin, im Glühwein?

Die Grundlage der meisten Heißprodukte stellen nach wie vor Rot- und Weißweine aus Italien und Spanien dar, die etwa zehn bis elf Volumenprozent Alkohol und eine dunkle Farbe aufweisen sollten. Sofern es sich nicht um einen Rebsortenwein handelt, der vorwiegend in Form von Dornfelder-Glühwein oder Riesling-Punsch meist aus deutschen Landen stammt, sind Reintönigkeit und ein eher neutraler Geschmack verlangt. So kann sich die jeweilige Aromatisierung im fertigen Endprodukt am besten entfalten. Während die meisten Glühweine mit einem Alkoholgehalt im Bereich von zehn bis elf Volumenprozent auf den Markt kommen, setzen einige Hersteller auch auf höhere Alkoholgehalte, die dem Produkt mehr Fülle und Gehalt verleihen.

Neben Bio-Glühwein, mit dem beispielsweise Biowein-Spezialist Peter Riegel im vergangenen Jahr zweistelligen Zuwachs erzielen konnte, liegen Rosé-Glühweine genauso wie die Roséweine auf dem deutschen Markt weiter im Trend. Die vielen neuen und innovativen Varianten eröffnen Erzeugern wie Händlern eine größere Preisspanne, so dass die Bandbreite inzwischen vom Preiseinstieg mit knapp unter zwei Euro bis zu Winzerglühweinen für deutlich über fünf Euro im Lebensmittelhandel reicht. Voraussichtlich werden Premiumvarianten den Markt in dieser Saison noch aus preislicher Sicht ein bisschen weiter dehnen.

Anspruchsvolle Aromatisierungen 

Je hochwertiger die Fertigglühweine und Heißgetränke werden, umso anspruchsvoller werden auch die Aromatisierungen. Fertige Aromatisierungen liefern die großen Aromen-Produzenten, die ihre Vorprodukte als „natural“ oder als „kreative“ Geschmackserlebnisse anbieten und den Abfüllbetrieben zur Verfügung stellen. Geeignete Aromatisierungen zu komponieren oder die richtige Abstimmung für die fertigen Produkte zu finden, ist nicht einfach und benötigt viel Erfahrung und Kenntnisse über die Wirkung von Aromen und olfaktorische Stoffe. Die Temperatur spielt eine große Rolle und nicht alles lässt sich perfekt kombinieren, sollen die Produkte nicht seifig und bitter, sondern fruchtig und feinwürzig schmecken und riechen.

Vielzahl von Größen und Varianten

Die gängige Gebindegröße der Fertigprodukte war in der Vergangenheit die 1-Literflasche, meist in Form einer etwas bauchigen Bordeauxflasche. Inzwischen erobern vor allem bei den höherwertigen Glühweinen die 0,75-Literflaschen Marktanteile, die einer der Marktführer der Branche, die Augsburger Firma Hauser in Fischach sogar als Bügelverschlussflasche anbietet. Preisbewussten bietet die Industrie inzwischen auch Glühwein und diverse Heißgetränke abgefüllt in 1,0 und 1,5 Liter PET-Flaschen an, was die Produktvarianten und den Einsatz der Glühweine bis hinein in die Gastronomie erweitert. Für Weihnachtsmärkte und den Einsatz größerer Gastronomiebetriebe bietet die Branche seit langem Glühwein in Kanistern und Größen von fünf und zehn Litern an.

Die Vielzahl der Produkte und Geschmacksvarianten hat den Markt der Heißgetränke kräftig erweitert. Galt früher ein Ende der Saison mit den ersten Silvesterraketen als ausgemacht, dauert die Kampagne heute bis in die Fastnachtstage und selbst in dieser Zeit soll sich manche rote Nase an einem Schluck eines Heißgetränks gewärmt haben. Glühwein ist ein traditionelles Produkt, das mit Innovationen modern und trendig den Getränkemarkt belebt. Darauf will keine große Weinkellerei und kein Lebensmittelhändler verzichten.

Dr. Hermann Pilz

Seit mehr als 20 Jahren leitet Dr. Hermann Pilz als Chefredakteur die Fachzeitschrift WEINWIRTSCHAFT und schreibt leidenschaftlich gerne über die verschiedensten Themen der Wein- und Spirituosen-Branche.