Ein Schoppen weniger – deutsche Trinkweinbilanz 2019

Trinkwein trinken
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Alljährlich stellt der Deutsche Weinbauverband auf Basis amtlicher Statistiken zum Jahresanfang eine Trinkweinbilanz für das abgelaufene Jahr vor. Sie ist die einzige systematisch erstellte Weinmarktstudie, die unabhängig Auskunft über den gesamten Weinabsatz im Inland gibt – vom Direktabsatz an den Endverbraucher über den Weinverkauf im Fach-, Lebensmittel- und Versandhandel bis hin zur Gastronomie.

Die Konjunktur und internationale Krisen zeigen in der Trinkweinbilanz ihre Wirkung. Ganz spurlos gehen politischen Krisen, die Klimadebatte und die konjunkturelle Achterbahnfahrten in der Welt offensichtlich nicht am Weinkonsum vorüber. Deutschland befindet sich angesichts einer ungetrübten Binnenkonjunktur und sprudelnder Steuerüberschüsse zwar in einer vergleichsweise guten wirtschaftlichen Situation, doch so richtig Lust aufs Feiern und Konsumieren scheinen die Deutschen derzeit nicht zu haben. „Verändernde Ernährungsgewohnheiten, der demographische Wandel sowie klimawandelbedingte Auswirkungen haben auf die aktuelle Trinkweinbilanz einen deutlichen Einfluss“, kommentieren die Verantwortlichen des Deutschen Weinbauverbands die Entwicklung des Absatzes von Wein.

Weingläser und Weinfalschen
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Heiße Sommer dämpfen Weinabsatz

Zwei Effekte, nämlich der Klimawandel mit seinen unmittelbar spürbaren Auswirkungen auf das Wetter und das Bevölkerungswachstum, dürften wohl die größten unmittelbaren Einflüsse auf den Weinabsatz haben. Der Anstieg der Durchschnittstemperatur von rund einem Grad Celsius in den letzten 50 Jahren sorgt zumindest bei beobachtbaren Wetterphänomen für spürbare Veränderung. Auf den Konsum von Getränken beziehungsweise von Weinen dürften sie unmittelbaren Einfluss haben. Der Weinkonsum kommt in den heißen Sommermonaten offensichtlich zum Erliegen. Rotweine bekommen diesen Dämpfer wohl stärker zu spüren als Weiß- und Roséweine. Mineralwasser und andere Durstlöscher haben Konjunktur, alkoholhaltige Getränke sind in heißen Sommern offenbar weniger gefragt, wie die Erfahrungen vieler Händler in den vergangenen beiden Jahren zeigen. „Das veränderte Konsumverhalten in den Sommermonaten hatte mit Sicherheit Einfluss auf die Trinkweinbilanz. Insbesondere der Absatz von Rotwein war in diesen Monaten schwach“, gab ein Tübinger Weinfachhändler seine Erfahrungen wieder. Im Wirtschaftsjahr 2018/2019, das vom 1. August 2018 bis 31. Juli 2019 reicht, wurden auf dem deutschen Weinmarkt insgesamt nur 19,45 Millionen Hektoliter Still- und Schaumweine abgesetzt. Den Daten der Trinkweinbilanz folgend lag der Gesamtabsatz damit um 1,5 Prozent niedriger als im Vergleichszeitraum der Vorperiode (2017/2018), was einem Rückgang von 0,3 Millionen Hektolitern entspricht. 

Diagramm Trinkweinbilanz
© Deutscher Weinbauverband e.V.

Auf den einzelnen Bundesbürger umgerechnet entspricht das einem durchschnittlichen Still- und Schaumweinkonsum von 23,4 Liter pro Person im Jahr, davon sind 8,7 Liter inländische Stillweine, 11,4 Liter ausländische Stillweine und 3,3 Liter Schaumweine. „Der Konsum bewegt sich damit immer noch im guten europäischen Mittelmaß. Es hätte schlimmer kommen können“, meinen viele Marktbeobachter. Von einem regelrechten Einbruch des Verbrauchs kann keine Rede sein. Einiges ist auch auf statistische Effekte zurück zu führen, da die zugrunde gelegte Bevölkerungszahl in Deutschland weiter zugenommen hat und jetzt auf 83 Millionen Einwohner angestiegen ist. Grundsätzlich lässt sich eine noch akzeptable Trinkweinbilanz 2018/2019 ziehen. 

Auf und Ab im Weinmarkt

Wie ist der Weinmarkt in Deutschland nun zu bewerten? Das Volumen im Wirtschaftsjahr 2018/2019 lag mit den errechneten 19,45 Millionen Hektolitern unter der langjährig gehaltenen 20-Millionen-Hektoliter-Grenze. Ist das schlimm? Verlieren die deutschen Konsumenten die Lust auf Wein? Es besteht kein Grund zur Panik, wenn man die Zahlen etwas genauer betrachtet: Die erste Fünf-Monats-Periode der Trinkweinbilanz 2018/2019 wurde ja noch von dem europaweit kleinen Jahrgang 2017 bestritten.

Die Preise waren auf Basis des Jahrgangs ordentlich in die Höhe geklettert und der Handel musste, ob er wollte oder nicht, das Preisniveau anheben. Manche Kategorie fiel mangels Masse ganz durchs Raster und fand sich nicht mehr in den Regalen des Lebensmittelhandels, was den Absatz spürbar senkte. In der darauffolgenden Sieben-Monats-Periode in 2019 holte sich der Handel Stück für Stück zurück, was er 2018 gegeben hatte und passte die Preise wieder nach unten an. Damit kam der Absatz wieder stärker ins Laufen, wie auch aus dem Lebensmittelhandel berichtet wird, der mit dem Absatz in der zweiten Jahreshälfte nicht unzufrieden war.

Die Entwicklung des internationalen Weinkonsums der letzten 20 Jahre zeigt ein gemischtes Bild: In Deutschland pendelt die Zahl der konsumierten Liter konstant um die 20 Millionen Hektoliter-Marke. Dagegen hat sich in den USA der Weinkonsum um mehr als ein Drittel erhöht und gipfelt 2018 in 33 Millionen Hektolitern. In Frankreich und Italien ist der Weinkonsum in diesem Zeitraum um mehr als ein Drittel zurückgegangen.

Der große Weinjahrgang 2018 verändert die Trinkweinbilanz

Mit dem 18er Jahrgang, der erst Anfang 2019 in den Verkauf kam, stiegen die Zahlen der Qualitätsweinprüfung in jedem Fall wieder kräftig an. Bis Ende 2019 kletterte die geprüfte Menge, die man mit der vermarkteten Menge in etwa gleichsetzen kann, wieder auf 5,03 Millionen Hektoliter in Rheinland-Pfalz an, das als größtes weinbautreibendes Bundesland bestimmend für den Weinmarkt in Deutschland ist. Überproportional konnten die Weingüter in 2019 ihre Anstellungen zur Qualitätsweinprüfung im zweistelligen Prozentbereich steigern und auch die Winzergenossenschaften und Erzeugergemeinschaften legten mit plus 7,5 Prozent kräftig zu. Insgesamt kletterte die Prüfmenge in 2019 um 5,3 Prozent und erreicht damit wieder das langjährige Niveau. 

Deutsche Weine ziehen sich, sofern die Verfügbarkeit gegeben ist, absatzmäßig also ganz gut aus der Affäre. Härter dürfte es dagegen die Auslandsweine getroffen haben. Der Import ausländischer Weine lag das ganze Jahr 2019 deutlich unter dem Niveau der Vorjahre. Erst zum Ende des Jahres scheint sich der Import wieder zu beleben, wie aktuelle Zahlen der Einfuhrstatistik zeigen.

Weinladen mit Trinkweinen
© Weinlandschaft im LEH_Hermann Pilz

Das sich etwas ganz Entscheidendes am Weinmarkt verändert hat, wird mit einem Blick auf die Importvolumen der einzelnen Weinkategorien deutlich. Qualitätsweine, das heißt Weine, die das EU-Gütezeichen „mit geschütztem Ursprung“ (g.U.) oder „mit geschützter geografischer Angabe“ (g.g.A.) tragen, haben nur noch einen Anteil von 17 Prozent an den Importen, die sogenannten anderen Weine halten inzwischen einen Anteil von 83 Prozent und stellen mit knapp 11 Millionen Hektolitern das Gros der Importe. Dahinter verbirgt sich die Entwicklung, dass Weinkategorien wie Rioja, Bordeaux, Chianti und andere, die auch als NoName-Produkte das Angebot bei den großen Discounterketten und im übrigen Lebensmittelhandel prägen, weniger gefragt sind als früher. Die Entwicklung der Trinkweinbilanz als Absatzbarometer macht deutlich, dass die europäischen Regionen an ihren Weinprofilen feilen und mehr Geld in Qualität und Marketing investieren.

Dr. Hermann Pilz

Seit mehr als 20 Jahren leitet Dr. Hermann Pilz als Chefredakteur die Fachzeitschrift WEINWIRTSCHAFT und schreibt leidenschaftlich gerne über die verschiedensten Themen der Wein- und Spirituosen-Branche.