Themenwoche Rohstoffe: PIWIs – Die Rebsorten der Zukunft?

PIWI-Rebsorten
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„Maréchal Foch“, „Regent“, „Solaris“: Haben Sie davon schon einmal gehört oder sie sogar schon einmal probiert? Diese ungewöhnlichen Namen bezeichnen pilzwiderstandsfähige Rebsorten, kurz PIWIs genannt. Sie sind schon zahlreicher als mancher denkt und haben vielseitige Vorteile gegenüber herkömmlichen Rebsorten. Trotzdem sind sie auf dem Markt noch relativ unbekannt.

Die Entwicklung von neuen Rebsorten

Reben züchten: eine langwierige Sache. Der Züchter muss zunächst den besten Sämling auswählen, vermehren, über Jahre hinweg beobachten und die Weine im Versuchsanbau getestet haben. Anschließend dauert es mindestens noch einmal so lange, bis die neue Rebsorte offiziell für den Anbau zugelassen ist. 30 oder 35 Jahre gehen da leicht ins Land! Warum machen die Züchter das? Früher versuchten sie, ertragsstarke Sorten zu kreieren oder solche, die besonders wohlschmeckende Weine erbrachten. Auch frühreifende Sorten waren immer für die Winzer interessant, da die Gefahr von Ernteausfällen durch schlechtes Wetter für sie deutlich geringer ist. Bekannte und erfolgreiche Züchtungen sind etwa der Müller-Thurgau (1882, aus Riesling und Madeleine Royale), die Scheurebe (1916 aus Riesling und Buketttraube) oder der Dornfelder (1955, aus Helfensteiner und Heroldrebe). Da die Rebe eine wandlungsfreudige Pflanze ist, die gerne und häufig von sich aus Mutationen hervorbringt, liegt es nahe, diese Eigenschaft gezielt zu nutzen. Das Feld ist weit: Rund 16.000 Sorten der Weinrebe Vitis vinifera sind heute bekannt! Wer eine oder mehrere dieser Sorten probieren und professionell verkosten möchte, hat dazu in der SIMEI Sensory Bar auf der diesjährigen drinktec in München die Möglichkeit. Hier kommen Weinkenner und Weinliebhaber zusammen und können gemeinsam neue Sorten entdecken.

PIWI: Umweltschonender Weinbau ohne Chemie

Der wohl wichtigste Zweig der Neuzüchtungen umfasst heute Sorten, die gegen Pflanzenkrankheiten wie den Falschen und Echten Mehltau resistent sind. Denn so können die Behandlungen mit Pflanzenschutzmitteln auf ein Minimum reduziert werden. Das ist nicht nur für Bio-Winzer ein Vorteil, denn es lassen sich auf diese Weise erhebliche Kosten sparen. Für die Winzer und umweltbewusste Verbraucher klingt es verlockend, was Matthias Wolf von der Arbeitsgemeinschaft PIWI International sagt: „Weinbau ohne Chemie und ohne Bodenbelastung, weil man sich die vielen Traktorfahrten durch die Rebzeilen spart, ist kein Traum, sondern PIWI-Realität.“ Bereits über 350 Mitgliedswinzer in 17 Ländern haben sich für den umweltschonenden Weinbau ohne Chemie entschlossen.

Die von der Unione Italiana VINI (UIV) veranstaltete SIMEI ist 2017 erstmals Teil der drinktec und ergänzt das Angebotsportfolio rund um den Weinbau in zwei zusätzlichen Hallen ideal. Die SIMEI@drinktec ist damit also der Branchentreffpunkt für Winzer und Weinproduzenten. Erfahren Sie mehr in diesem drinktec-Blogpost

PIWIs versus etablierte Weine – Neue Sorten haben es schwer

Die Frage ist, ob die Weinliebhaber diese neuen pilzwiderstandsfähigen Sorten akzeptieren, die von den Fachleuten kurz PIWIs genannt werden. Der alte Satz vom Bauern, der nicht isst, was er nicht kennt, gilt auch hier. In den beiden größten deutschen Anbaugebieten Rheinhessen und Pfalz machen PIWIs nur zwischen zwei und drei Prozent der Rebfläche aus. Bis jetzt haben wenige den Sprung in die Reihe der gängigen Rebsorten geschafft. Der rote Regent hat wegen seiner satten Farbe und guter Tanninstruktur viele Freunde gefunden und wird häufig sortenrein angeboten. Der weiße Cabernet Blanc wurde vom Schweizer Züchter Valentin Blattner in der Pfalz durch Kreuzung des roten Cabernet Sauvignon und verschiedener Resistenzpartner kreiert. Er ähnelt geschmacklich dem Sauvignon Blanc und hat ähnlich wie dieser das Zeug zum Trend-Wein ‒ dank seinem ausgeprägten Aroma. Johanniter, Solaris und Helios, die in den siebziger Jahren am Staatlichen Weinbau-Institut in Freiburg gezüchtet wurden, bringen angenehm fruchtige, ausgewogene Weine hervor und eignen sich auch für die Erzeugung von Dessert-Weinen. Sie verwerten die Sonneneinstrahlung sehr gut und erreichen höhere Mostgewichte als die Vergleichssorte Riesling, zugleich liegen die Säurewerte etwas niedriger. Das kommt dem Geschmack der Verbraucher entgegen, der den Wein gerne fruchtig-stoffig, aber nicht zu säurebetont mag.

Preisgekrönte Weine

Halten die PIWIs mit den etablierten Rebsorten mit? Der eigens für sie eingeführte Internationale PIWI Weinpreis geht 2017 schon in die siebte Runde und beweist: Auch PIWI-Weine erreichen Goldmedaillen! Wer sich klar macht, dass vor 30 Jahren niemand auf die Idee gekommen wäre, Sauvignon Blanc oder Merlot in deutschen Anbaugebieten zu suchen, weiß, dass Veränderungen immer möglich sind. Alles eine Frage der Zeit. Was sind beim Wein schon 35 Jahre?

Dr. Rolf Klein

Der freiberufliche Weinjournalist war bis 2006 Chefredakteur der Weinwelt und bloggt über aktuelle Trendthemen aus der Welt der Weine und Winzer.