Industrie 4.0: Digitalisierung in der Milchwirtschaft
Die Milchindustrie hat innerhalb des Lebensmittelsektors eine mit Abstand führende Rolle in IT-gestützter Prozessführung. Trotz ihrer Komplexität stellen die bereits extrem automatisierten Prozesse noch immer keine echte „Digitalisierung“ dar – die Potenziale sind vorhanden.
Die Digitalisierung bestimmt die Industrie 4.0 zunehmend. Ihre Auswirkungen sind im Moment noch nicht so recht greifbar, denn es geht um mehr als Fabrik- oder Lagerautomation. Bei der Digitalisierung geht es um das Abgreifen großer Datenmengen und deren Aufbereitung zu sinnvollen Aussagen für die Milchproduktion.
Beispiel Buttermilch: Produktionsengpass in Molkereien
Nehmen wir als Beispiel ein saisonabhängiges Produkt wie Buttermilch. Der Absatz läuft auf Hochtouren, immer dann, wenn es heiß ist. Dann brummen Produktion, Abpackung und Logistik, zuweilen kommen die Molkereien in den Sommermonaten gar nicht mehr mit der Herstellung nach. Bislang verlässt man sich in Handel und bei den Molkereien auf Erfahrung aus früheren Jahren und bestellt bzw. produziert vor. Dennoch lässt sich der Moment, in dem das Buttermilch-Geschäft zu boomen anfängt, nicht allzu exakt vorausbestimmen, so dass Absatzpotenziale zuweilen nicht ganz genutzt werden können.
Potenziale der Digitalisierung für die gesamte Kette
Dieser eine Moment, in dem möglicherweise nicht genug Buttermilch in den Ladenregalen steht, ließe sich über das Zusammenführen verschiedener Informationsströme verhindern. Die moderne Wettervorhersage ist inzwischen so zuverlässig, auch und gerade in begrenzten Regionen, dass man ihre Prognosen getrost als Basis für die Absatzplanung heranziehen kann. Ein passend gestrickter Algorithmus in der IT des Handels müsste nur noch vorab die Order- und Produktionskette in Gang setzen. Also etwa, dass das Geschäft Nummer 148 an einem bestimmten Tag mindestens X Packungen Natur- und Y Packungen aromatisierter Buttermilch vorliegen haben muss. Aus der Aggregation der Einzelabsatzprognosen lassen sich dann die Aufträge für die Milchproduktion und für die Logistik generieren, natürlich mit genügend Vorlaufzeit für die gesamte Kette. Diese endet ja nicht in der Molkerei, sondern erstreckt sich auch auf die Vorlieferanten, z.B. von Zutaten oder Verpackungsmaterial. Am Ende entsteht ein Prozess, der sich quasi selbst auslöst und steuert und den Menschen – im Prinzip – ausschließlich noch als Konsumenten benötigt.
Effizienz in der Milchindustrie steigern – schon heute
Von einer solchen Realität sind wir noch ein ganzes Stück entfernt, manche haben sogar Angst davor, dass eine solche Idee jemals Realität wird. Vielleicht zum Teil zu Recht, dann steht aber bestimmt nicht so etwas Banales wie „Buttermilch“ im Fokus. Nichtsdestotrotz lassen sich über Industrie 4.0 und Digitalisierung schon heute enorme Vorteile für die Milchindustrie erschließen. Über Data Mining lassen sich, die passende Sensorik vorausgesetzt, Anhaltspunkte für bestimmte Betriebsparameter herausfiltern, die z.B. zur sogenannten Predictive Maintenance herangezogen werden können. Hier werden dann Teile so früh wie nötig gewechselt, um einem ungeplanten Anlagenstillstand entgegenzuwirken. Dies wiederum steigert die Verfügbarkeit von Produktions- oder Verpackungslinien und erhöht damit die Gesamteffizienz eines Unternehmens.
Ganz sicher werden Digitalisierung und Industrie 4.0 eines der beherrschenden Themen der kommenden Messeveranstaltungen, auch der drinktec, sein. Man darf gespannt sein, was sich die klugen Köpfe in der Zulieferindustrie so alles einfallen lassen werden, um die Milchproduktion immer rationeller und sicherer zu machen.