50 Jahre Perlenflasche: das Comeback der Mehrweg-Glasflasche

Perlenflasche
© Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB)

Mit der Perlenflasche steht die deutsche Mineralbrunnenbranche als Beispiel für gelebte Nachhaltigkeit.

Es genügt als Auslöser für abendfüllende Gespräche und ist zwischenzeitlich in allen Medien geradezu unaufhörlich präsent – das kleine Wörtchen „Plastikmüll“, das Gemüter bewegt, Menschen weltweit zusammenführt und bei unterschiedlichen Anschauungen doch wieder voneinander trennt. Das kleine Wörtchen, das Emotion pur in sich trägt und zumeist eher problembelastet als lösungsorientiert auftritt. Doch es gibt Lösungsansätze, zahlreiche auch im Bereich der Getränkebranche. Und zum Teil sind sie – wie beispielhaft in diesem Blog beschrieben – bereits etabliert und möchten nur neu gewürdigt und vom Konsumenten für gut befunden werden, wie zum Beispiel die Mehrweg-Glasflasche, darunter auch die Perlenflasche.

Plastikmüll, das Schreckgespenst

Gerade weil Zahlen eine so deutliche Sprache sprechen, werden Verbraucher mehr und mehr für das Thema Plastik sensibilisiert. Geradezu drastisch sind beispielsweise die kürzlich im sogenannten Plastikatlas der Umweltorganisation BUND veröffentlichten Fakten. Hier heißt es, dass weltweit pro Jahr über 400 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt werden. Zwischen 1950 und 2015 waren es insgesamt 8,3 Milliarden Tonnen. Nicht einmal ein Zehntel davon wurde recycelt.

Allein jeder Deutsche verursachte 2016 den Angaben im Plastikatlas zufolge durchschnittlich 38 Kilogramm Plastikmüll. Nicht weniger bedenklich die folgende Aussage der Deutschen Umwelthilfe: „Jährlich überfluten rund zehn Millionen Tonnen Plastikmüll die Weltmeere. Tun wir nichts dagegen, wird 2050 mehr Plastik im Meer schwimmen als Fische.“

Vor diesem Hintergrund scheint die Gebindepolitik der deutschen Mineralbrunnen und deren wieder deutlichere Hinwendung zu Glasflaschen wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Doch ist es andererseits nicht so, dass man mit jedem auch noch so kleinem Schritt einer großen Lösung ein wenig näherkommt?

Wasser im Glas
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50-jährige Perlenflasche erhält „German Design Award Gold 2019“

Tatsache ist: Die sogenannte Perlenflasche der GDB (Genossenschaft Deutscher Brunnen) wird in diesem Jahr 50 Jahre alt und ist laut GDB in Deutschland immer noch so bekannt wie die Bundeskanzlerin. 97 Prozent der Deutschen wissen um die Glasflasche mit den insgesamt 230 Perlen, die die Frische von Mineralwasser und das Prickeln der Kohlensäure demonstrieren sollen. Das Perlenflaschen-Design entwickelte einst Industriedesigner Günter Kupetz, der meinte: „Ich halte den Entwurf der Flasche für zeitlos und würde sagen, verbessern kann man ihn eigentlich nicht.“ In seiner unbescheidenen Art hat er insofern Recht behalten, als die Perlenflasche zum Designklassiker geworden ist. Neben zahlreichen früheren Auszeichnungen erhielt sie in diesem Jahr den „German Design Award Gold 2019“ in der Kategorie „Design Classics“.

GDB-Glas-Mehrweg-Pools legen um 4,2 Prozent zu

Heute führt die GDB ein breites Sortiment an Glas- und PET-Mehrwegflaschen, das seine jüngste Ergänzung 2017 durch die 0,5 l Glas-Mehrwegflasche (N1), 0,75 l Glas-Mehrwegflasche (N2) und 1,0 l Glas-Mehrwegflasche (N3) erfuhr. Allein 2018 füllten die deutschen Mineralbrunnen rund sechs Milliarden GDB-Mehrwegflaschen mit Mineralwasser und Mineralwasser-Erfrischungsgetränken ab. Laut Markus Wolff, Vorstandsvorsitzender der GDB, haben die von der Genossenschaft geführten Glas-Mehrweg-Pools im vergangenen Jahr um 4,2 Prozent auf rund 3,7 Milliarden Füllungen zugelegt. Im PET-Mehrweg-Bereich wurde 2018 ein Wachstum von 3,3 Prozent verzeichnet.

Mehrweg-Glas-Anteil bei etwa 25 Prozent des deutschen Wassermarktes

Die Perlenflasche ist als Pool-Mehrweggebinde eine nachhaltige Getränkeverpackung. Durchschnittlich kann sie rund 50 Mal wieder befüllt werden. Allein die ursprüngliche Form der Flasche, also die Glasversion mit einem Volumen von 0,7 Litern, wurde 2018 rund 2,5 Milliarden Mal befüllt.

Was auch zeigt, dass der Konsum von Mineralwässern und Mineralwasser-Erfrischungsgetränken aus der Glasflasche beim deutschen Verbraucher wieder an Bedeutung gewinnt. Das bestätigt Petra Ossendorf, AFG-Expertin bei Nielsen. Ihren Angaben zufolge lag der Mehrweg-Glas-Anteil 2018 bei knapp einem Viertel des deutschen Wassermarktes mit einem Umsatzwachstum von über zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr und einem Absatzwachstum von plus 6,6 Prozent.

Die anderen Gebindearten wie Einweg-PET (+ 3,9 Prozent), Mehrweg-PET (+ 1,9 Prozent) sowie Einweg-Kastenware (+ 1,1 Prozent) wuchsen vergleichsweise deutlich geringer.

Wolff bringt das sich wandelnde Verbraucherverhalten folgendermaßen auf den Punkt: „Das gesteigerte Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei Verbrauchern, aber auch im Handel oder in der Politik, ist eine Chance für die Poolsysteme der deutschen Mineralbrunnen.“

Neue Popularität auch für Mehrweg-Individual-Glasflaschen

Als eine Chance sehen viele Mineralbrunnen generell die neue Popularität von Mineralwasser aus Mehrweg-Glasflaschen. Frühzeitig hat beispielsweise Gerolsteiner einen in diese Richtung entstehenden Trend vorbereitet. Bereits 2010 führte der Mineralbrunnen eine individuelle 1,0 l Glas-Mehrwegflasche im 6er-Kasten ein, die sich seither als Wachstumstreiber erweist. Ab Oktober 2019 bringt der Brunnen ein neues 0,75 l Glas-Mehrweggebinde im 12er-Individualkasten. Die Einführung geschieht sortenweise und wird voraussichtlich im Sommer 2020 abgeschlossen sein. „In der Gerolsteiner-Kernzielgruppe gibt es einen hohen Prozentsatz an Konsumenten, die Mineralwasser bevorzugt aus Glasflaschen trinken“, weiß Joachim Schwarz, kaufmännischer Geschäftsführer Gerolsteiner.

David Schilling, Vertriebsleiter und Mitglied der Geschäftsführung bei Brohler, sieht die Entwicklung von Glasflaschen ähnlich: „Wir glauben an das Gebinde Glas und schätzen, dass sich der Trend zurück zu Glas auch weiterhin fortsetzen wird.“ Heidrun Hövelmann, Geschäftsführerin Getränkegruppe Hövelmann, sagt: „Wir beobachten die positive Entwicklung der Individual-Glasgebinde, die wir für unsere Marken Staatl. Fachingen und Rheinfels Quelle verwenden.“ Euphorisch ist man dem Glasgebinde gegenüber auch bei Rhönsprudel. Der Brunnen erzielte mit seinen GDB-Glas- und Individualglas-Gebinden 2018 erneut ein überproportional starkes Wachstum im zweistelligen Bereich und punktet vor allem bei seinem 6 x 1 l Individualgebinde im Segment der höherpreisigen Mineralwässer mit einem Plus von über 35 Prozent. „Wir glauben an den besonderen Genuss von Mineralwasser aus der Glasflasche“, meint dazu der geschäftsführende Gesellschafter Christian Schindel und erweitert das Glassortiment des Brunnens prompt um eine neue 0,75 l Glasflasche im 12er Kasten.

Deutschland, ein Vorbild für Rückführung und Verwertung von Getränkeflaschen?

Udo Kremer bringt den in der Mineralbrunnenbranche gelebten Nachhaltigkeitsgedanken ein wenig anders auf den Punkt: „In Deutschland verfügen wir sowohl im Mehrweg- als auch im Einwegbereich über ein hervorragend funktionierendes Pfandsystem, das ein weltweites Vorbild für die Rückführung und Verwertung von Getränkeflaschen ist“, so der VDM-Geschäftsführer (Verband Deutscher Mineralbrunnen).

Genau das wird es schließlich sein, was zählt. So interessant es auch ist, dass die als nachhaltige Lösung propagierte Mehrweg-Glasflasche im Mineralbrunnenbereich – sicher auch aufgrund des derzeitigen schlechten Leumunds von Kunststoff – eine Renaissance erfährt, letztlich kommt es auf geregelte Stoffströme an, also auf Rücknahme- und Verwertungssysteme, die funktionieren. Und warum hier nicht auch länderübergreifend immer mehr hinterfragen und voneinander lernen?

Die markante Perlenflasche im Wasser
© Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB)

Jeder ist seiner Nachhaltigkeit Schmied

Das Thema Glas- contra PET-Flasche relativiert auch Michael Neuenhagen: „Wir sind überzeugt davon, dass Mehrweg-Glas sich weiterhin positiv entwickeln wird“, meint der Marketingleiter des Bad Dürrheimer Mineralbrunnens und ergänzt: „Die Medien und teilweise auch die Politik machen PET dennoch teilweise zu Unrecht zum generellen und globalen Bauernopfer. Gerade in Deutschland ist die Rückgabequote sehr hoch.“ Dass jeder Marktteilnehmer letztlich auch selber gefordert ist, mögliche nachhaltige Schritte umzusetzen, demonstrierte der Brunnen beispielsweise erst kürzlich damit, dass er sein gesamtes PET-Flaschensortiment durch Lösungen aus 100 Prozent Rezyklat ersetzte.

Friederike Arndt

Die selbstständige Fachjournalistin Friederike Arndt gilt als Expertin für den Bereich Getränke und war unter anderem lange Zeit als Redakteurin der Fachzeitschriften Getränkeindustrie und Getränkefachgroßhandel tätig. In dem Blog berichtet sie über die neuesten Trends und Innovationen aus dem Bereich der Alkoholfreien Getränke.