Wie der Klimawandel die Braugerste beeinflusst

Gerstenfeld kurz vor der Ernte
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Der Klimawandel beschäftigt Landwirte in besonderem Maße, denn sie bekommen die Auswirkungen von Dürre, Starkregen und Co. direkt auf dem Acker zu spüren. Dass auch der Brauprozess direkt von Klimaveränderungen beeinflusst wird, zeigt ein Blick ins Gerstenkorn.

Stefan Hör, Dr. Martina Gastl und Prof. Dr. Thomas Becker vom Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie der TU München haben analysiert, wie veränderte Klimabedingungen während der Kornfüllungsphase zu spürbaren Qualitätseinbußen bei der Braugerste führen können – und damit einen Einfluss auf den Brauprozess haben [1]. Brauer sollten diese Entwicklung deshalb genau im Blick behalten.

Auf das Wetter in der Kornfüllungsphase kommt es an

Die beiden Extrem-Jahrgänge 2018 und 2019 führten in der deutschen Brauwirtschaft teilweise zu spürbaren Qualitätseinbußen hinsichtlich des Verzuckerungserfolges der Malzstärke im Sudhaus. Trotz in der Regel guter enzymatischer Ausstattung kam es zu Ausbeuteverlusten, niedrigen Endvergärungsgraden und verlängerten Verzuckerungszeiten, die die Bierqualität spürbar negativ beeinflussten. Vermutlich resultierten die extremen Klimabedingungen während der Kornfüllungsphase in einer Veränderung der Stärkestruktur der Braugerste.

Um den Ursachen hierfür auf den Grund zu gehen, ist ein Blick tief ins Gerstenkorn hinein notwendig: Wie ist der Stand der Wissenschaft bezüglich des Aufbaus der Stärke? Weshalb haben der Wuchsstandort und die dort herrschende Witterung eine so große Bedeutung für die resultierende Stärkestruktur? Und: Wie läuft die Synthese der Stärke während des Pflanzenwachstums eigentlich ab?

Der Stärke wurde bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt

Die Stärke der Braugerste nimmt eine zentrale Rolle in der gesamten Malz- und Bierbereitung ein. Umso verwunderlicher ist es, dass die Stärke und deren Beschaffenheit in den vergangenen Jahren verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit bekam: Alternative Hefen und vor allem die Hopfentechnologie standen im Fokus der Forschungsaktivitäten.

Unter Braugerste versteht man im Gegensatz zur Futtergerste eine Gerste, die für Brauzwecke und damit zur menschlichen Ernährung angebaut wird. Deutschland deckt seinen Bedarf an Braugerste nach wie vor zur Hälfte durch Importe ab. Im Jahr 2019 entsprach dies 1,26 Millionen Tonnen Gerste aus dem Ausland.

Dabei ist die Stärke – mit ca. 65 Prozent der Hauptbestandteil des Gerstenkorns – in vielerlei Hinsicht maßgeblich von Relevanz: Ihre Beschaffenheit beeinflusst nicht nur die Restsüße, die Vollmundigkeit und den Körper eines Bieres – letztendlich entscheidet der Anteil an vergärbaren Zuckern auch, wie viel Alkohol es nach der Fermentation enthalten wird. Darüber hinaus ist Stärke aus wirtschaftlicher Sicht zu berücksichtigen, da sie einen wesentlichen Einfluss auf die Rohstoffausbeute sowie die Maisch-, Läuter- und Filtrationszeiten ausübt.

Verzuckerungsprobleme und Ausbeuteverluste

Dass der Stärke in den vergangenen Jahren in Forschung- und Qualitätskontrolle verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit zuteilwurde, ist vermutlich dem geschuldet, dass ihr Anteil im Korn züchterisch bereits optimiert wurde und sie – glücklicherweise – kaum Verarbeitungsprobleme verursacht hat. Bereits in den Erntejahrgängen 2006 und 2012, deren Sommer außergewöhnlich heiß und trocken waren, traten vereinzelt Verzuckerungsprobleme und/oder Ausbeuteverluste auf.

Solche Jahre waren jedoch rückblickend eher die Ausnahme. Dann kam der „Hitzesommer“ 2018, worauf ein ähnlich heißes Jahr 2019 folgte, in dem die Böden gleichzeitig mit dem existierenden Wasserdefizit des Vorjahres zu kämpfen hatten. Bedingungen also, die sich anscheinend auch auf die Synthese der Stärke auswirkten und vermehrt zu Problemen in diversen Betrieben führten.

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Blick ins Innere der Braugerste

Blickt man ins Innere eines solchen Stärkekorns, ist ein schichtweiser Aufbau ersichtlich, der sich in alternierende harte (kristalline) und weiche (amorphe) Ebenen gliedert. Abiotischer Stress während des Pflanzenwachstums, insbesondere Trockenheit und Hitze, haben einen bedeutenden Einfluss auf die einzelnen Stärkesynthese-Wege.

Untersuchungen zum Einfluss der Trockenheit auf die Stärkekorngrößen zeigen, dass sowohl die A- als auch die B-Körner im Vergleich zu Kontrollgruppen verkleinert ausfallen. Während dies bei Weizen einheitlich für alle Korngrößenklassen festgestellt werden konnte, bewirkte der Wassermangel bei Gerste überwiegend eine Verkleinerung der B-Korn-Fraktion [2].

Umweltfaktoren beeinflussen Enzyme bei der Stärkesynthese

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Die Synthese der Stärke ist ein hochkomplexes Zusammenspiel zahlreicher Enzyme, deren Aktivitäten von mehreren Umweltfaktoren abhängen. Die innere Struktur von Stärken kann selbst bei gleicher Pflanzengenetik aufgrund der unterschiedlichen Witterungsbedingungen standortabhängig stark variieren.

Eine schwankende Zuckerzusammensetzung der Bierwürze je nach enzymatischer Umsetzung der Stärke ist die resultierende Folge für die Brauwirtschaft.

Auch wenn die Wissenschaft hier noch relativ am Anfang steht, konnten vor allem die Wetterextreme Hitze und Trockenheit (v.a. während der Kornfüllungsphase) als gravierende Einflussfaktoren auf die Stärkesynthese charakterisiert werden.

Dies ist in Hinblick auf den Klimawandel, der eine zunehmende Häufung dieser Wetterextreme in Europa erwarten lässt, bedenklich. Diese Herausforderungen erfordern eine detailliertere Aufklärung der zugrundeliegenden Mechanismen der Stärkesynthese und langfristige z.B. züchterische Lösungsstrategien.

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Literatur:

1.        Hör, S.; Gastl, M.; Becker, T.: „Stärke ist nicht gleich Stärke – ein Blick ins Innerste eines Gerstenkorns“, BRAUWELT Nr. 1-2, 2021, S. 8–10 (URL: https://www.brauwelt.com/de/themen/rohstoffe/642481-st%C3%A4rke-ist-nicht-gleich-st%C3%A4rke-%E2%80%93-ein-blick-ins-innerste-eines-gerstenkorns) .

2.        Brooks, A.; Jenner, C. F.; Aspinall, D.: „Effects of water deficit on endosperm starch granules and on grain physiology of wheat and barley”, Functional Plant Biol. 1982, 9, S. 423-436, DOI: 10.1071/PP9820423 (URL: https://www.publish.csiro.au/fp/PP9820423).

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