Was ist eigentlich Craft-Bier?
Weltweit entsteht gerade eine neue Bierkultur. Fast überall auf dem Globus entwickeln junge Brauer besondere Rezepturen oder greifen wieder uralte Braustile auf. Sie nehmen den Kampf gegen die Einheitsbiere der Braugiganten auf. Ihre Zauberworte heißen Mut, Charakter und Kreativität. Seit rund drei Jahren herrscht auch hierzulande eine starke Dynamik. Durch den Aufschwung eröffnen im ganzen Land neue Kneipen, Cafés und Szene-Bars. Auch Top-Restaurants legen neuerdings Bierkarten aus und keine Woche vergeht hierzulande ohne eine kultige Bier-Veranstaltung. Aber: Craft-Biere sind keine Drinks für Kampftrinker, sondern für Genussmenschen.
Fünf Begriffe zur Charakterisierung:
1. Handgemacht:
Fast 90 Prozent der deutschen Biere werden industriell hergestellt, was zu einem langweiligen Einheitsgeschmack führt. Craft-Bier wird in kleinen Mengen hergestellt und unterliegt meist einem manuellen Prozess. Ziel ist es, damit einen individuellen Geschmack zu entwickeln. Dieser Prozess beginnt bei der Rohstoff-Zugabe, geht über die der Flaschenabfüllung bis zum eigenhändig aufgeklebten Etikett.
2. Kreativität:
Craft-Bier zeichnet sich durch die Experimentierfreude der meist jungen Brauer aus – die das Ziel verfolgen, ihre Kreationen authentisch, individuell und innovativ zu gestalten. Craft-Macher stehen mit Herzblut und Liebe an den Kesseln. Sie zaubern mit verschiedenen Rohstoffkombinationen aus Aromahopfen, besonderen Malzsorten und teilweise extra gezogenen Hefekulturen köstliche Biere, die sogar nach Schokolade, Biskuit oder Fruchtbombe schmecken können. In den meisten Fällen berücksichtigen sie dabei das deutsche Reinheitsgebot.
3. Hopfen:
Hopfen spielt die tragende Rolle bei der Aromavielfalt und ist die Seele vieler Craft-Biere. Er wird nicht mehr nur für die Herbe des Bieres verkocht, sondern besondere Aromasorten sollen für Duft und Geschmack sorgen. Außerdem kippen die Brauer deutlich mehr grünes Gold in den Sudkessel als bei den üblichen Supermarkt-Sorten. Dadurch schaffen sie eine kräftigere Bittere und Düfte sowie Geschmäcker von Maracuja über Grapefruit bis hin zu Litschi oder Ananas. Das Aromen-Spielfeld ist riesig. Weltweit wachsen mehr als 200 Hopfensorten. Eines der größten Anbaugebiete liegt in der bayerischen Hallertau.
4. Bierstile:
Unter rund 5000 Biersorten stechen einige Typologien besonders heraus. Inzwischen werden längst vergessene Sorte wiederentdeckt: Imperial Stout, ein dunkles malziges Bier mit oft mehr als zehn Prozent Alkohol, das bereits die russischen Zaren liebten. Oder der alte belgische Stil „Saison“, der damals in den Wintermonaten eingebraut, kühl gelagert und im Sommer von den Feldarbeitern getrunken wurde. Jedem Arbeiter standen fünf Liter pro Tag zu. Aber der bedeutendste Stil für Craft-Biere ist wohl das India Pale Ale (IPA). Seinen Ursprung hat dieses stark gehopfte Bier in den indischen Kronkolonien des 19. Jahrhunderts. Die Brauer mussten das Bier mit mehr Hopfen und einem höheren Alkoholgehalt versetzen, um eine längere Haltbarkeit für weite Seereisen von England nach Indien zu gewährleisten.
5. Preis:
Bei Craft-Bieren kostet manchmal eine einzige Flasche mehr wie ein ganzer Kasten im Supermarkt. Craft-Bier ist teurer, allein wegen besonders ausgewählter, edler Rohstoffe, dem handwerklichen Verfahren und der exklusiven, monatelangen Lagerung. Diese erfolgt bei manchen Sorten sogar in alten Whisky- oder Cognac-Fässern. Der Verbraucher sollte sich bei Craft-Bier bewusst sein, dass er ein Genuss-Produkt im Glas hat, das sich nicht zum Komatrinken eignet. Aber Vorsicht: Ein Bier, das mehr als zehn Euro kostet, ist auch nicht immer seinen Preis wert.