Die wilden Sude – Biererlebnisse jenseits des Mainstreams

Kreative Brauer schrecken inzwischen auch vor besonders ausgefallenen Bierzutaten nicht zurück. Während Kürbisse, Schokolade und kaltgebrühter Kaffee noch zu den harmlosen Finessen zählen, gelten die wirklich wilden Sude mit Schafsköpfen, Algen oder Oktopus in der Szene als echte Geschmackabenteuer.

Kürbisbiere

Wer in der Adventszeit in Bierläden und Onlineshops stöbert, dem bieten sich derzeit besonders kuriose Angebote. Schon auf bunten Etiketten wird der Käufer von grinsenden Kürbisfratzen begrüßt. Spätestens dann weiß der Experte: die Saison für Kürbisbiere hat begonnen. Auch wenn die Gralshüter des Reinheitsgebots die Nase rümpfen, so können es echte Hop-Guys kaum erwarten, das erste „Pumpkin Ale“ zu kosten.

Biere mit der für hiesige Gaumen eher ungewöhnlichen Kürbisbeigabe sind vor allem eine Spezialität US-amerikanische Brauer. Jedes Jahr, kurz vor Halloween, rühren sie die Riesenfrüchte in den Sudkessel und erfreuen damit eine wachsende Fangemeinde. Nebst Kürbispüree kommen auch winterliche Gewürze wie Ingwer, Zimt, Vanille oder Muskat mit in den Trunk. Aber die Rezept-Vielfalt ist nahezu unbegrenzt: Neben Pumpkin Ales rühmen sich manche Brauer auch mit Pumpkin Lagers, Pumpkin Schokoladen Porters sowie Pumpkin Stouts. Allein rund 15 verschiedene Kürbis-Biere führt allein die Elysian Brewing Company aus Seattle im Sortiment.

Biere mit Kaffeearoma

Gerade in der kalten Jahreszeit freut sich die Genießer-Zunft auf besonders aromatische und kräftige Bierspezialitäten. Dabei kommen bei wachsender Sortenvielfalt zunehmend auch ungewöhnliche Sude mit schrägen Zutaten auf den Markt. Neben Kürbisbieren schwören internationale Brauer in der kalten Jahreszeit auch auf Sude mit speziellem Kaffeearoma – aber nicht als morgendlicher Wachmacher, sondern als besonderes Geschmacksabenteuer. So aromatisierten etwa die Macher der slowenischen Pelicon Brauerei aus Ajdovščina ihr „Imperial Coffee Stout“ mit kaltgebrühten Kaffee. Der achtprozentige, nachtschwarze Trunk entwickelt dadurch spezielle röstige und schokoladige Noten. „Eigentlich war das nur ein Experiment für eine private Party, aber der Prototyp fing bei allen gleich richtig Feuer“, begeistert sich Brauerei-Chefin Anita Calavita.

Kaffee und Kürbis? Hier kommen die wirklich wilden Sude!

Auf hocharomatisches Stout setzen auch zwei Brauereien aus dem hohen Norden. Das isländische Brugghús Borg und die norwegischen Bierproduzenten der Voss-Brauerei brauen in Anlehnung an alte Wikinger-Traditionen mit ganz skurrilen Zutaten: Für ihr gemeinschaftliches Stout-Projekt legten sie sogar Schafsköpfe in den Kessel. Die isländischen Schädel blieben jedoch naturbelassen, während die norwegischen gesalzen und geräuchert in den Trunk kamen. Damit soll an die kulturelle Verbindung beider Länder erinnert werden, denn es waren vor rund 1000 Jahren schließlich norwegische Wikinger, die das Eiland am Polarkreis entdeckten und besiedelten.

Bei solch schrägen Varianten dreht sich zartbesaiteten Bierfreunden vermutlich der Magen um. Aber in der Welt der wilden Sude lassen sich auch Kreationen mit allerlei Zutaten aus dem Meer finden. Besonders beliebt – vor allem in Irland und Skandinavien – sind frische Austern im Sud. Aber auch deutsche Brauer schrecken vor Meeresfrüchten als individuelle Geschmacksbeigabe nicht zurück. Tilmans Biere aus München und Buddelship aus Hamburg experimentierten gerade mit  Muscheln, die ihrem Stout wegen des hohen Eiweißgehalts ein cremiges Mundgefühl schenkten.

Neben Mollusken gibt es aber auch Biere, die mit diversen Algensorten, Hummer und inzwischen auch mit Oktopus gebraut werden. So produzierte etwa der italienische Brauer Guiseppe Granello in seiner Mikrobrauerei in der Toskana ein tiefschwarzes Kraken-Bier, das mit der Tinte des Achtfüßlers angesetzt wurde. Aber wer am Gaumen wirklich die salzige See schmecken mag, der sollte auch mal das American Blonde Ale „Er Boquerón“ der Brauerei La Socarrada aus dem spanischen Xativia probieren. Der ungewöhnliche Trunk wurde direkt mit Meerwasser gebraut.

Mareike Hasenbeck

Mareike Hasenbeck ist freie Journalistin, Craft-Bier-Bloggerin von Feiner Hopfen sowie Biersommelière und international DLG geprüfte Sachverständige für Bier-Sensorik.