Trend: Erfrischungsgetränke mit wenig oder ohne Zucker
Zuckersaft schafft Nervenkraft – ein Reim, der so manchem bekannt ist. Und ein Reim, der den heutigen Zeitgeist ganz und gar nicht mehr trifft. „Das Zucker-Zeitalter geht zu Ende“ titelte die Süddeutsche Zeitung kürzlich zum Thema Erfrischungsgetränke ohne Zucker. Und das Weiss-Institut, das sich als „Experte für Suchtentwöhnung“ bezeichnet, bietet unter dem Motto „Endlich suchtfrei leben“ neben der Entwöhnung von Alkohol und Zigaretten mittlerweile auch die von Zucker an.
Fazit: Das Image von Zucker ändert sich rasant. Auch weil in immer mehr Studien Zuckerkonsum als problematisch bezeichnet wird. Da kommen zuckergesüßte Getränke, insbesondere Erfrischungsgetränke, deutlich mit ins Spiel. Sie gelten laut Weltgesundheitsorganisation als eine der Hauptursachen für die Entstehung von Adipositas (Fettleibigkeit) und Typ-2-Diabetes. Aktuell sind etwa 6,7 Millionen Menschen allein in Deutschland an Typ-2-Diabetes erkrankt und etwa jeder vierte Erwachsene gilt als fettleibig. Nur durch Fettleibigkeit entstehen in Deutschland jährlich etwa 63 Milliarden Euro an Folgekosten.
foodwatch: „Jedes zweite Erfrischungsgetränk ist überzuckert“
„In kaum einem europäischen Land nehmen die Menschen so viel Zucker über sogenannte Erfrischungsgetränke auf wie in Deutschland“, warnt die Verbraucherorganisation foodwatch und belegt dies durch Zahlen des Marktforschungsinstituts Euromonitor International. Das sprach kürzlich davon, dass der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker allein durch Softdrinks im Jahr 2016 bei durchschnittlich 26 Gramm pro Tag bzw. ca. 9,5 Kilogramm pro Jahr lag. Damit steht Deutschland hinter den Niederlanden und der Slowakei in Europa auf Platz drei der Märkte, in denen der höchste Zuckerkonsum über Erfrischungsgetränke stattfindet. Im weltweiten Vergleich liegt Deutschland laut Euromonitor International auf Platz elf – nach Märkten wie Argentinien, Chile, den USA und Mexiko.
Gemäß einer Ende 2018 veröffentlichten foodwatch-Marktstudie ist etwa jedes zweite Erfrischungsgetränk in Deutschland überzuckert. Was im Detail heißt, dass 345 von insgesamt 600 untersuchten Getränken mehr als 50 Gramm Zucker je Liter aufwiesen. Die Verbraucherorganisation fordert daher eine Zuckersteuer, die am Beispiel von Großbritannien orientiert ist. Dort gibt es seit April 2018 ein Gesetz, das Hersteller von Softdrinks verpflichtet, für Produkte, denen mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter zugesetzt wurde, je Liter 18 Pence (ca. 21 Cent) an Steuern zu bezahlen. Bei mehr als acht Gramm Zucker pro 100 Milliliter werden 24 Pence je Liter fällig. Weitere Länder, die eine Abgabe auf stark zuckerhaltige Softdrinks praktizieren sind beispielsweise Portugal, Estland, Belgien, Norwegen, Frankreich, Ungarn, Mexiko, Südafrika und auch einige US-Staaten.
Die Getränkeindustrie reduziert eigenverantwortlich bis 2025
In Deutschland setzt Bundesernährungsministerin Klöckner nun auf eine vom Kabinett Ende 2018 beschlossene sogenannte nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz mit einem klaren Fokus auf Fertigprodukte. Bis zum Jahr 2025 hat sich die Lebensmittel- und Getränkewirtschaft verpflichtet, konkrete Reduktionsziele zu erreichen. Erste Ergebnisse werden im Herbst 2019 von Experten unter die Lupe genommen, kündigte Klöckner an.
Die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke äußerte sich bereits dazu und strebt an, den Zucker- und Kaloriengehalt der in Deutschland vertriebenen Erfrischungsgetränke, ausgehend vom Jahr 2015 bis zum Jahr 2025, um 15 Prozent zu reduzieren. „Wir sind für unsere Kategorie zuversichtlich, dieses Ziel durch fortgesetzte Reformulierung und Innovation erreichen zu können. Die wichtigste Grundlage für den Erfolg der Strategie ist und bleibt dabei die Akzeptanz der Produkte bei den Verbrauchern“, meint dazu Hauptgeschäftsführer Dr. Detlef Groß.
Diese Akzeptanz dürfte indes größer sein als es sich viele klassische Erfrischungsgetränkehersteller momentan vorstellen können. Allein weil der Trend zu gesunder Ernährung, die dazu verhelfen soll, in jedem Lebensalter fit zu bleiben, immer weiter an Kraft gewinnt. Petra Ossendorf, AFG-Expertin bei Nielsen: „Auf Wachstumskurs befinden sich Produkte mit weniger Zucker, aber auch Zero-Produkte, die aufgrund der Gesundheitsdiskussion im Fokus stehen.“
Innovationen und Strategien, die ankommen
Erfolgreiche Beispiele aus der Branche gibt es einige. So landete granini mit der Einführung der „Leichten Limo“ einen Volltreffer. Bereits acht Monate nach Markteinführung fiel bei jeder fünften verkauften granini Limonade die Wahl auf die Variante mit 50 Prozent weniger zugesetztem Zucker. Bei Sinalco spricht Geschäftsführer Heino Hövelmann von einer guten Entwicklung der Zero-Sorten: „Die Absatzentwicklung belegt, dass zuckerfreie Produkte den Geschmack des Verbrauchers treffen.“
Aktiv in punkto zuckerfreier und zuckerreduzierter Getränke zeigt sich auch Branchengigant Coca-Cola. Deutschlandweit startete das Unternehmen Anfang des Jahres eine „Geld-Zurück-Aktion“ für den Fall, dass den Verbrauchern die zuckerfreien Varianten des Sortiments nicht schmecken sollten. Außerdem investiert Coca-Cola, bezogen auf den Liter pro Getränk, etwa 90 Prozent mehr in Werbung für Erfrischungsgetränke mit weniger und ohne Zucker als für Produkte mit Zucker. Ebenfalls interessant: Das Unternehmen steigt, dem Trend zur Gesundheit folgend, immer weiter in den Biomarkt mit ein. Unter anderem mit Honest Bio Tee. 2019 erweitert Coca-Cola Deutschland die Marke um Honest Bio Limonade. Diese stille Limonade soll Fruchtsaft aus Konzentrat und 30 Prozent weniger Zucker als vergleichbare Produkte enthalten.
Österreich als Vorreiter
Ein wenig weiter als in Deutschland ist man in punkto Erfrischungsgetränke ohne Zucker auf dem österreichischen Markt. Auch hier lautet das Motto: Statt einer neuen Steuer soll der Zuckergehalt gemeinsam mit den Getränkeproduzenten vermindert werden. Immerhin sank in den letzten acht Jahren der durchschnittliche Zuckergehalt in Getränken in Österreich laut vorsorgemedizinischem Institut Sipcan um 13,5 Prozent. Gemäß Ernährungswissenschaftler Manuel Schätzer bleibt der Druck auf die Industrie aufgrund von regelmäßigen Analysen hoch. Gegen eine schnell wirksame Zuckersteuer ist der Experte auch deshalb, weil seiner Meinung nach eine Zuckerreduktion nur schrittweise gelingen kann, damit der Konsument eine Chance hat, sich daran zu gewöhnen. Dieser Gewöhnungseffekt dürfte schließlich auch Produkten wie Pure Tea Ingwer Tee, einem neuen, gänzlich ungesüßten Teegetränk von Pfanner, deutlich entgegenkommen.
Erfrischungsgetränke ohne Zucker – in Japan bereits eine Selbstverständlichkeit
In diesem Zusammenhang mag ein Blick in Richtung des japanischen Getränkemarktes hilfreich sein. Dort stehen Erfrischungsgetränke ohne Zucker beginnend mit der Kindheit im Fokus. Folge ist, dass jeder Automat, Convenience Store und Supermarkt in Japan traditionell eine große Auswahl an gekühlten Getränken vorhält, die ganz ohne Zucker auskommen. Vor allem zuckerfreie Teegetränke sind hier der Renner.
Auf Verbraucherwünsche eingehen
Doch auch die Ideensammlung beim Lebensmittelhandel kann sich nützlich darstellen. Eine interessante Strategie zur Zuckerreduzierung verfolgt beispielsweise das Kölner Handelsunternehmen Rewe. Innerhalb von nur einem Jahr wurde dort der Zuckergehalt von 100 Produkten des Eigenmarkensortiments gesenkt. Über 400 Artikel werden zurzeit in ihrer Rezeptur angepasst. Bis 2020 will der Handelsriese alle relevanten Eigenmarken überprüfen und mindestens die Hälfte davon mit reduziertem Zuckergehalt anbieten. Besonders erwähnenswert: Rewe hat seine Kunden in diese Strategie von Beginn an mit einbezogen. Vier Wochen lang konnten sie beispielsweise online ihren persönlichen Schokoladenpudding-Favoriten unter vier Varianten mit verschiedenen Zuckerstufen auswählen. Der Siegerpudding enthielt 30 Prozent weniger Zucker als bislang, wurde ins Sortiment aufgenommen und bekommt bis heute starken Zuspruch. Ein kluger Schachzug, der die erhöhte Verbraucherakzeptanz auch für weitere zuckerreduzierte Produkte nach sich zieht. Vielleicht auch eine Idee für die Getränkebranche, Kunden stärker in Planungen und Entscheidungen zur Zuckerreduzierung mit einzubeziehen?
Althergebrachte Getränkekategorien überdenken?
Eine Frage, die sich die Branche in Zusammenhang mit einer angestrebten Zuckerreduzierung ebenfalls stellen sollte, ist die, ob althergebrachte Getränkekategorien zu überdenken sind. Der Fall Lemonaid lieferte einen Denkanstoß in diese Richtung. Das Fachamt des Hamburger Bezirks Mitte hatte Lemonaid abgemahnt, weil eine Limonadensorte des Szene-Herstellers nicht den vorgeschriebenen Mindestzuckergehalt enthält. Die Behörde schlug dem Hersteller vor, das Produkt entweder umzubenennen oder den Zuckergehalt heraufzusetzen, was dieser mit dem Hinweis ablehnte, dass die Limonade seit 2009 unbeanstandet verkauft würde. Die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke wies in diesem Zusammenhang auf klar definierte Kategorien mit klaren Spielregeln hin.
Trend zu weniger Zucker und zu natürlichen Süßungskonzepten
Alles in allem treffen Erfrischungsgetränke mit wenig oder ohne Zucker den aktuellen Trend. Allerdings warnen Forscher davor, dass Zucker einfach durch Süßstoffe ersetzt wird. So litten laut einer Studie des Canadian Medical Association Journal Konsumenten, die vermehrt Süßstoffe aufnahmen, unter einem erhöhten Schlaganfall- und Herzinfarkt-Risiko und nahmen zudem nicht ab. Grundstoffhersteller wie WFSI, Döhler oder SVZ International bieten der Branche auch die auf das jeweilige Getränk hin abgestimmten natürlichen Süßungskonzepte.