Mineralbrunnen am Pranger
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Mineralwasser wird immer stärker zum Politikum. Um das bis vor kurzem als völlig „unschuldig“ geltende Lebensmittel wird seit Monaten erbittert gestritten. Dabei geht es vor allem um die Frage der Nachhaltigkeit von Mineralbrunnen.
Aldi Süd will mit dem Thema „Wasser“ groß punkten: In der letzten Augustwoche warb der Discounter in seinem Prospekt auf zwei ganzen Seiten für sein Sprudlergerät „Sodastar“. Im September soll dann das biozertifizierte „rieser Urwasser“ in 50 bis 70 Filialen im Angebot sein. Zur Einführung plant Aldi eine Marketingkampagne. Mit den Aktionen greift das Unternehmen zwei Trends auf, die gegensätzlicher kaum sein könnten: einerseits den völligen Verzicht auf Mineral- zugunsten von Leitungswasser, andererseits die Stilisierung zum ökologisch vorbildlichen Lifestyle-Getränk.
Für ordentlichen Wirbel sorgte Ende November letzten Jahres Bundesumweltministerin Svenja Schulze mit ihrem „5-Punkte-Plan für weniger Plastik und mehr Recycling“, indem sie den Kauf von Mineralwasser angesichts der guten Trinkwasserqualität in Deutschland als „unnötig“ bezeichnete. Dass die Versorgungsunternehmen indessen immer häufiger über Probleme bei der Trinkwasseraufbereitung klagen, bleibt dabei schlichtweg unberücksichtigt. Dabei sind die Medien mit Berichten über Nitrat, Medikamente, Mikroplastik und andere Verunreinigungen im Leitungswasser voll.
Fast zeitgleich meldete sich auch das Europäische Parlament zu Wort – und forderte in seiner gerade überarbeiteten EU-Trinkwasser-Richtlinie ganz klar die Verwendung von Leitungswasser, um Abfall und den Verbrauch von Plastik zu reduzieren. Angegriffen wurden dadurch nicht nur die Mineralbrunnen, die ihr Geschäftsmodell in Frage gestellt sahen, sondern auch Wirte, die aufgefordert wurden, ihren Gästen gratis oder gegen eine geringe Gebühr Leitungswasser anzubieten.
Laut der Studie „Ökobilanz Trinkwasser – Mineralwasser“, trägt der Konsum von Trinkwasser und Mineralwasser überraschenderweise insgesamt nur einen kleinen Beitrag von weniger als 1 Prozent zu den gesamten Umweltbelastungen im Haushalt bei. Beim Warmwasservebrauch hingegen kann viel Heizenergie gespart werden.
Sodastream wirft Mineralbrunnen Vermüllung der Umwelt vor
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Doch die Angriffe kommen nicht nur aus der Politik. Eindeutig wirtschaftliche Interessen hat, allen voran, der Sprudler-Hersteller Sodastream, der – mit Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaenicke als Werbebotschafter – aggressiv für den Verzicht auf Mineralwasser insbesondere aus Plastikflaschen wirbt und dabei die Mineralbrunnen immer wieder in Verbindung mit der Vermüllung der Weltmeere bringt.
Partei hat kürzlich auch die Stiftung Warentest ergriffen. In ihrem „Wassertest“ vom Juni dieses Jahres erreichte weniger als die Hälfte der stillen Mineralwässer ein gutes Ergebnis. Bemängelt wurden „unerwünschte Keime“ sowie erhöhte Gehalte an „kritischen Stoffen, Verunreinigungen aus Landwirtschaft und Industrie“.
Der Mineralbrunnenverband VDM warf der Organisation daraufhin vor, „mit zweierlei Maß zu messen“, da die Ergebnisse für beide Wasserarten nicht auf systematisch vergleichbaren Methoden basierten. Unter anderem sei Leitungswasser überhaupt nicht hinsichtlich gesundheitlicher Parameter untersucht worden.
Doch nicht nur dagegen wollen sich die Mineralbrunnen jetzt wehren. Aktuell reist eine Delegation des VDM mit dem Verbandsvorsitzenden Dr. Karl Tack durch Deutschland und spricht in allen Regionen mit Politikern und Journalisten, um der „populistischen Symbolpolitik“ des Bundesumweltministeriums etwas entgegenzusetzen, vor allem aber die Fakten geradezurücken.
Unter anderem geht es dabei immer wieder um die irrige Annahme, PET-Flaschen aus Deutschland wären an der Vermüllung der Meere mit Plastik beteiligt, was aber dank dem funktionierenden Pfandsystem und der hohen Recyclingquote nicht zutrifft. Vielmehr werden, laut einer Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) vom vergangenen Jahr, bereits 97 Prozent der pfandpflichtigen PET-Einwegflaschen recycelt.
Immer mehr Konsumenten wollen Bio-Mineralwasser
Während gleichwohl immer mehr Konsumenten auf selbst gesprudeltes Leitungswasser umsteigen, wächst andererseits, wie bei anderen Nahrungsmitteln auch, die Nachfrage nach Bioqualität – auch außerhalb der eingeschworenen Ökoszene. Trugen bislang eher kleine, regionale Brunnen das Siegel der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser, lassen sich neuerdings auch große, namhafte Hersteller zertifizieren.
Zuletzt – im Juli und August dieses Jahres – kamen der Vilsa-Brunnen und die Getränkegruppe Hövelmann hinzu. Dennoch bleibt die Frage, ob Wasser nicht sowieso „immer bio“ sei, in der Branche bislang umstritten.
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Mineralwasser sei „natürlich rein und kann nicht noch reiner sein“, glaubt etwa Franken-Brunnen-Chef Michael Bartholl. Er befürchtet eher, dass Verbraucher ein solches Siegel als „Etikettenschwindel“ wahrnehmen könnten.
Angesichts des wachsenden Interesses verschärft sich auch der Wettbewerb zwischen den Prüfstellen: Seit Monaten beschäftigen sich Gerichte mit der Frage, ob das Bio-Siegel des SGS-Fresenius-Instituts eine seriöse Auszeichnung oder doch nur ein minderwertiges „Schein-Bio-Siegel“ ist, wie die Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser behauptet. Fresenius bekam Anfang September vom Landgericht Frankfurt am Main uneingeschränkt Recht, die Qualitätsgemeinschaft hat aber bereits angekündigt, in Berufung zu gehen.
Wer Bio wirklich ernst nehme, müsse „die Bio-Prinzipien gegen Angriffe und Aufweichung verteidigen“, erklärte deren Vorsitzender Dr. Franz Ehrnsperger im Zusammenhang mit dem Verfahren. Dabei dürfe man sich „auch von Großkonzernen nicht einschüchtern lassen“.
Wieder einmal läuft es also auf „David gegen Goliath“ hinaus. Eher sollten sich wohl die Brunnen – ob klein oder groß, bio oder konventionell – miteinander verbünden, um gegen die erstarkende Leitungswasser-Lobby zu bestehen. Denn hier dürfte künftig der eigentliche Gegner sitzen.
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