Blick in die Zukunft: Insekten-Drinks als „In-Getränke“?

Keinesfalls kann man der alkoholfreien Getränkebranche vorwerfen, sie wäre nicht innovativ. Innovative Süßungskonzepte, Getränkekreationen mit sogenannten Superfruits oder Superseeds und neue Farbkonzepte – Innovation, wohin das Auge schaut. Trotzdem die Frage: Ist das innovativ genug oder könnte es künftig noch etwas innovativer werden? Vielleicht sogar mit Insekten-Drinks?

Bislang sind in unseren Breitengraden Lebensmittel, die essbare Insekten enthalten, nicht nur selten, sondern für die meisten auch äußerst gewöhnungsbedürftig. Das könnte sich schnell ändern, denn seit dem 1. Januar 2018 gilt eine neue Verordnung der Europäischen Union zu „Novel Food“. Dazu zählen Insekten. Künftig, so ist es nun geregelt, entscheiden nicht mehr die Mitgliedstaaten selbst, sondern die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auf Antrag hin zentral für alle Mitgliedstaaten über die Zulassung von Insekten oder insektenhaltigen Produkten als Nahrungsmittel. Entscheidungen sollen innerhalb weniger Monate gefällt werden, dann ist der Weg zur Vermarktung frei. Unterschiedliche Vorgehensweisen innerhalb der Europäischen Union und die zahlreichen Auflagen, die allein in Deutschland bislang galten, gehören damit der Vergangenheit an.

Abneigungen überwinden: bekannte Anker helfen

Vor dem Hintergrund, dass es weltweit ca. 2.000 essbare Insekten gibt und sich rund zwei Milliarden Menschen, vorwiegend in Afrika, Südamerika und Asien, ganz selbstverständlich von Insekten ernähren, könnte in Europa nach Überwindung der bisherigen Abneigung gegenüber den Krabbeltieren ein großer Markt für Lebensmittel mit Insekten entstehen. Das sieht Professor Guido Ritter, der an der Fachhochschule Münster zu Lebensmittel-Trends forscht, genauso: „Einen ganzen Wurm zu essen, ist für uns psychologisch deutlich schwieriger als einen Hackfleischklops mit Soße“, meint er und fügt hinzu: „Bei einer Veränderung von Essensgewohnheiten braucht es einen bekannten Anker, an den das Neue angekoppelt ist, wie zum Beispiel geröstete Mehlwürmer in Schokolade oder Burger, die zu einem Teil aus Insekten bestehen.“ Nach und nach werden sich die Konsumenten, so lautet seine Prognose, auch in europäischen Gefilden immer mehr an Insektenfleisch gewöhnen. Als ein gutes Beispiel dafür, wie Gewöhnung funktionieren kann, betrachtet er Sushi. In den 1980er Jahren kam es in europäischen Gefilden auf den Markt. Viele Verbraucher fanden rohen Fisch damals eklig. Heute steht Sushi wie selbstverständlich auf zahlreichen Speisezetteln.

Insekten-Drinks: Die umweltfreundliche und gesunde Alternative

Das könnte bei Insekten auch deshalb genauso passieren, weil die gesundheitlichen Vorteile ihres Konsums auf der Hand liegen. Sie sind reich an hochwertigen Proteinen, beinhalten ungesättigte Fettsäuren, Eisen, Mineralien und Vitamine und benötigen bei der Aufzucht auf das Kilo Fleisch heruntergebrochen wesentlich weniger Futtermittel und Wasser als Hühner, Rinder oder Schweine. Außerdem produzieren sie eine vergleichsweise geringe Menge an Treibhausgasen.

Internationale Pionierleistungen auf zahlreichen Ebenen

Übrigens gibt es mittlerweile selbst in deutscher Sprache Insekten-Kochbücher und auch im deutschen Markt sind schon einige interessante Lebensmittel mit Insektenbeigabe zu finden. Beispielsweise der „Bux Burger“ ein Burgerpatty, das zu etwa 30 Prozent aus Buffalowürmern besteht. Das Start-up Bugfoundation führte das Produkt 2015 in Belgien und in den Niederlanden ein. Seit Anfang des Jahres ist es auch auf dem deutschen Markt und dort vorwiegend im Handel präsent. Als großen Erfolg bezeichnen die Gründer Baris Özel und Max Krämer unter anderem ihre diesjährige Präsenz auf der Internationalen Grünen Woche. Dort verkauften sie innerhalb weniger Tage mehr als 5.000 ihrer Insektenburger an Messebesucher. Ebenfalls interessant: Die Insect-Pasta von Plumento Foods, einem Start-up, das sich auf die Entwicklung von Lebensmitteln aus alternativen Proteinen und insbesondere Insekten-Proteinen spezialisiert hat. Zu erwerben ist die Insect-Pasta momentan sowohl online als auch im Start-up-Regal der Metro-Tochter „Emmas Enkel“ in Düsseldorf. Oder Swarm Protein, ein Protein-Riegel aus Grillen in verschiedenen Geschmacksrichtungen, bei dessen Entwicklung sich ein Designer, ein Ökonom und eine Ernährungswissenschaftlerin zusammengetan haben. Zudem spannend: eine Idee, die aus der Schweiz stammt. So stellte Produktdesignerin Carolin Niebling aus Lausanne unter dem Motto „The Future Sausage“ gemeinsam mit einem Metzger unter anderem die Streichwurst aus Insektenmehl und Tonkabohnen her. Apropos Schweiz: Hier verkauft Coop übrigens bereits seit fast einem Jahr in mehreren Filialen neben Insektenburgern auch Hackbällchen aus Mehlwürmern.

Betrachtet man den deutschen Gastronomiemarkt, lassen sich selbst dort schon spannende Insektenkreationen finden. So bietet die Australian Bar & Kitchen, Nürnberg, Heuschrecken-Variationen als Vorspeise an und in Seidels Salatbar, Ludwigsburg, steht knuspriges Insektentopping auf der Speisekarte, während „der verrückte Eismacher“, München, Stracciawurmella und Flip-Heueis mit gerösteten Heuschrecken als Delikatesse auslobt.

Keine Vision mehr: Insekten-Cocktails

Nicht nur im Lebensmittel- auch im Getränkebereich tut sich etwas zum Thema Insekten, wenn auch noch nicht bei den alkoholfreien Getränken. „Critter Bitters“ heißt die Reihe an Cocktail-Bitters, destilliert aus gerösteten Grillen, die Lucy Knops und Julia Plevin entwickelten. „Unsere Bitters haben im Gegensatz zu anderen, die eher zu hellem oder klarem Alkohol wie Gin passen, einen sehr starken Geschmack. Sie harmonieren daher super mit Bourbon, Rum, einfach zu etwas kräftigerem Alkohol“, so Knops. Glaubt man den Unternehmerinnen, sind die Bitters bei Barkeepern und Köchen sehr beliebt. Ein Grund dafür könnte laut Knops – und hier schließt sich der Kreis – auch der sein, dass Insekten-Drinks von den Verbrauchern eher akzeptiert werden, weil man ihr Bild nicht direkt vor Augen hat.

Next Step: Alkoholfreie Drinks?

Bleibt die Frage, ob auch aus diesem Grund nicht gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für die alkoholfreie Getränkebranche wäre, sich mit dem Thema Insekten-Drinks einmal intensiv auseinanderzusetzen. Gerade weil der Markt für Lebensmittel mit Insektenbeigabe in Deutschland und Europa derzeit noch äußerst überschaubar ist und von Insekten-Drinks hier noch nicht einmal ansatzweise die Rede ist. Auf jeden Fall hat es sich auch im Bereich der alkoholfreien Getränkeindustrie schon häufiger gelohnt, als ein Innovator aufzutreten. Und ist die Idee, der feste Wille zu deren Umsetzung und der Glaube an den Erfolg erst einmal geboren, dann lassen sich sicher auch die noch offenen Aspekte wie bestmögliche Umsetzung mit vorhandener Anlagentechnik, Marketingkonzept oder auch prädestinierte Vertriebswege erfolgreich angehen.

Friederike Arndt

Die selbstständige Fachjournalistin Friederike Arndt gilt als Expertin für den Bereich Getränke und war unter anderem lange Zeit als Redakteurin der Fachzeitschriften Getränkeindustrie und Getränkefachgroßhandel tätig. In dem Blog berichtet sie über die neuesten Trends und Innovationen aus dem Bereich der Alkoholfreien Getränke.