The Harder the Seltzer, … New AlcoPops oder New Drink Trends?
![Hard Seltzer in verschiedenen Sorten](https://drinktec-blog.b-rex.de/wp-content/uploads/2022/02/The_Harder_02_-1024x484.jpg)
Wie viele andere Trends auch stammt Hard Seltzer aus den USA und bricht dort einen Umsatz-Rekord nach dem anderen. Kein Wunder, dass in Deutschland die durch Corona stark durcheinandergerüttelte Getränkebranche eine große Chance wittert. Hard Seltzer ein neuer Boom, der sich ansatzlos über den Atlantik nach Europa ziehen lässt oder doch nur ein kurzes Zucken im Markt wie Fassbrause?
Seltzer ist nichts anderes als „Selters“ und damit Wasser mit Kohlensäure. Das Adjektiv ‚hard‘ markiert, dass es sich um keinen Softdrink handelt, sondern um ein Getränk ‚mit Alkohol‘. Es handelt sich also um mit Alkohol versetztes Wasser. Damit das ‚harte Wasser‘ nach etwas schmeckt, wird es häufig mit Aromen angereichert. Bei den ersten Hard Seltzer Produkten handelte es sich um fermentierte, also letztlich gebraute Produkte. In den USA wurde dafür meist Alkohol auf Zuckerrohrbasis oder Mais verwendet, wobei die Zubereitung im Detail nicht genau definiert ist.
![Andreas Putz und Dr. Uwe H. Lebok](https://drinktec-blog.b-rex.de/http://drinktec-blog.b-rex.de/wp-content/uploads/2022/02/andreas-putzuwe-h-Lebok.png)
Zu welchen Gelegenheiten passt Hard Seltzer?
Das Besondere im Vergleich zu anderen alkoholischen Getränken ist der niedrige Kaloriengehalt: Da das Getränk nur aus Wasser, Alkohol und Geschmacksaromen besteht, enthalten 100 ml Hard Seltzer lediglich 25-30 Kalorien. Damit liegt es deutlich unter anderen alkoholhaltigen Getränken wie Bier (40 Kalorien) und Wein (> 60 Kalorien).
Neben dem niedrigen Kaloriengehalt kann Hard Seltzer mit weiteren Eigenschaften aufwarten, die in der gesundheitsbewussten, hippen und stets nach neuen Trends suchenden (jung gebliebenen) urbanen Bevölkerung gut ankommen: Es ist vegan, quasi zuckerfrei, ready to drink aus Dose/Flasche und enthält nicht übermäßig viel Alkohol. Im Auftritt richtet sich das Getränk nicht explizit an Frauen oder Männer, sondern verkörpert eine Lebenseinstellung – auch bei langen Partynächten ein gutes Gewissen bewahren und seinem Körper (mehr oder weniger) etwas Gutes tun.
Wenn wir diesen Gedanken folgen, lässt sich Hard Seltzer gefühlt als ‚gesunde‘ Alternative mit nur etwas Alkohol in vielen verschiedenen Kontexten verorten. Neben nächtlichen Partys können das Bootstouren, Segeltörns, Golf-Events, Vorglühen in der ‚Tanke‘ oder Chillen auf der Dachterrasse sein. Letztlich sind viele Verwendungskontexte möglich und denkbar. Leider fast schon zu viele, um sich möglichst schnell und breitenwirksam in Mitteleuropa als neues In-Getränk zu verankern.
Hard Seltzer in Deutschland
Bevor es an die Ausarbeitung von konkreten Marketing-Konzepten ging, mussten in Deutschland zunächst steuerliche Rahmenbedingungen geklärt werden. Neben der sogenannten Alkoholsteuer bestehen separate Abgaben für Branntwein, Schaumwein, Bier, Zwischenerzeugnisse und Alkopops. Vor allem die 2004 eingeführte Alkopopsteuer, die gut viermal so hoch ist wie die Alkoholsteuer, wollen Hersteller tunlichst vermeiden, um Hard Seltzer ertragreich zu vermarkten. Aktuell ist die Besteuerung noch unklar, ob die sogenannte ‚Sondersteuer auf alkoholhaltige Süßgetränke zum Schutz junger Menschen‘ auch für Hard Seltzer greift.
Seit Mitte 2020 wagen sich erste Anbieter aus der Deckung und bringen angelehnt an das erfolgreiche US-Vorbild neue Angebote auf den Markt. Neben innovativen Neugründungen wie Holy, Suaro oder Berlin Seltzer haben auch große Player wie der USA Pionier White Claw und Coca-Cola mit der Marke Topo Chico ihren Hut in den Ring geworfen. Auch Lidl hat es im Oktober 2020 mit einer eigenen Marke ‚Sunrise‘ probiert. Während der Markt für Hard Seltzer in den USA auf einen Umsatz von mehr als 1,5 Milliarden Dollar gewachsen ist, hat sich Hard Seltzer in Deutschland noch nicht durchsetzen können.
Mögliche Getränketrends als Chance?
In Deutschland ist der Stellenwert von bewusster Ernährung und Themen wie ‚Frei von‘, vegetarisch, vegan, funktionaler Ernährung über die letzten Jahre deutlich gestiegen und vor allem in den jüngeren Generationen ein zentrales Thema für die individuelle Lebensführung geworden. Ergebnisse der repräsentativen Consumer-DrinkTrends-Studie von K&A BrandResearch (September 2021), unterstreichen diese übergeordnete Einstellung bei alkoholfreien Getränken. Funktionale Aspekte wie zuckerreduziert/-frei, wenig Kalorien und Zusatz von Vitaminen, Proteinen und Mineralstoffen sowie Regionalität und Herkunft haben das reine Genuss- und Geschmackserlebnis überholt. Aus der süßen Versuchung zwischendurch wird immer mehr ein Mittel zur Körperoptimierung mit gutem Gewissen.
In der genannten Studie wurden die Befragten nicht nur zu Gesundheit und Trends im Zusammenhang mit alkoholfreien Getränken, sondern auch zu alkoholischen Getränken befragt. Während im alkoholfreien Segment Funktionalität vor Genuss liegt, sind bei alkoholischen Getränken genussige Themen wie Geschmack, angenehme Süße und Mischung mit anderen Getränken relevanter als Gedanken über Zucker- und Kaloriengehalt und Zusatznutzen. Biermix und Ready to Drink Cocktails direkt aus der Dose oder Flasche knüpfen exakt an diese Bedürfnisse an.
Neben der Funktionalität von Getränken und der Wirkung auf den eigenen Körper ist die Suche nach Natürlichkeit ein fast noch bedeutsameres Kriterium für Ernährung und Trinkverhalten. Natürliche Früchte, Beeren und Vermeidung von künstlichen Inhaltsstoffen sind für viele Verbraucher sehr relevante Themen beim Kauf von Lebensmitteln. Aktuell können wir dies beim stetig steigenden Absatz von (vermeintlich ‚guten‘) Bio-Lebensmitteln oder beim Boom von Naturradler beobachten.
In den aktuell sehr nüchtern und clean gestalteten Dosen und Flaschen setzt Hard Seltzer ein klares Statement für ein hippes, urbanes Lifestyle-Getränk. Es probt den Transfer von Funktionalität aus der bewusst-konsumierten Alkoholfrei-Welt in die mehr stimmungsgetriebene Welt der alkoholischen Getränke. In den USA geben die Absatzzahlen diesem Konzept recht – es hat sich inzwischen fest etabliert. In Deutschland ist Hard Seltzer trotz Promotion im Handel und ersten Eigenmarken-Konzepten noch ein Nischenprodukt. Lediglich 2% der repräsentativ befragten Getränkekonsumenten haben es in den letzten 3 Monaten probiert, wobei sich der Schwerpunkt der User auf Gen Z konzentriert. Interessanterweise wird das Produkt dann aber in Gen Z überproportional häufig konsumiert. D.h., gelingt es, Konsumenten kontextuell von Hard Seltzer zu überzeugen, dann finden sich auch Wege in den Lebensalltag.
More Context-Thinking, more Hard Seltzer!
Die bislang kaum geklärte Frage ist, welchen übergeordneten Kontext Hard Seltzer für sich besetzen kann. Wo, wann, mit wem und wozu trinken junge Menschen in Deutschland Hard Seltzer? Ist es ein ausgelassenes Party-Setting, chillige Lounge-Atmosphäre oder ein aufpeitschender Zockerabend mit Bros. Aktuell befindet sich Hard Seltzer in der Phase des ersten Ausprobierens, was den hohen Anteil der Gen Z unterstreicht. Um sich in der Breite durchzusetzen, muss ein so vollständig neues Konzept Kontexte besetzen, die intuitiv Hard Seltzer als die tauglichste Lösung einfallen lassen. Der aktuelle Ansatz einer einfachen Kopie des erfolgreichen Amerika-Erfolgs scheint nicht auszureichen: Es müssen eigenständige Konzepte entwickelt werden.
![Hard Seltzer Dose](https://drinktec-blog.b-rex.de/http://drinktec-blog.b-rex.de/wp-content/uploads/2022/02/hard-seltzer-dose.jpg)
Das Implodieren der Craft-Bier-Szene mag eine Warnung für einen Hype ohne durchschlagenden Umsatz sein. Eigentliche Craft-Biere sind nie wirklich aus dem Probier- und Kennerstadium herausgekommen und konnten in der Regel zumindest keine wirkliche Breitenwirksamkeit etablieren. Aufgrund der medialen Präsenz wurde aber durch die „Craft-Kraft“ der Anstoß gegeben, dass sich Brauer wieder stärker mit der Herstellung ihrer Biere befassen und den Pfad der national distribuierten Einheitsbiere weitestgehend verlassen haben. Letztlich wurde dadurch auch der Boden bereitet für erfolgreiche Naturradler.
Um für Verbraucher unbekannte Produkte wie Hard Seltzer schmackhaft und alltagstauglich zu machen, braucht es mehr als Reißbrettentwürfe von Marketing-Experten oder einfache Frage-Antwort-Spielchen mit Fans aus dem eigenen Umfeld. Über Context Thinking® kann ein unkonventioneller und alltagsbezogener Zugang zu potenziellen Verbrauchern gelingen und Konzeptionen ausgestaltet werden, wie sich Marken oder Neuprodukte über Kontexte besser erschließen lassen. So lassen sich beispielsweise Lösungen finden, wie im Club oder in der Bar Hard Seltzer der Marke XY Alternativen wie Beck’s Lemon, Fritz Cola oder Gösser Naturradler vorgezogen werden. Der schnelllebige Alltag offenbart uns Tag für Tag: Der Schlüssel zum Erfolg über ein Verständnis aus den Kontexten und Bedürfnissen der Verbraucher heraus ist am Ende effizienter als ein blindes Kopieren von Konzepten ohne Kontextbezug.
Sie möchten sich mit einem internationalen Fachpublikum über die Entwicklungen der Getränkeindustrie austauschen? Dann laden wir Sie herzlich ein, an der nächsten drinktec vom 12. bis 16. September 2022 in München teilzunehmen.
Dieser Artikel ist powered by Verlag W. Sachon.