Getreideernte 2021 – Schwierige Zeiten für Braugerste

Nahaufnahme von Getreide
© pexels.com / Pixabay

Die Getreideernte 2021 war von regional unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich Erntemenge und -qualität gekennzeichnet. Die Ernteergebnisse waren in Summe enttäuschend. Die im Juni und Juli noch hohen Ertragserwartungen wurden jäh enttäuscht. Seitdem explodieren die Getreidepreise. Stephan Bergler, IREKS, analysiert Ursachen und Folgen.

Das Jahr 2021: Extreme Witterungsverhältnisse, volatile Getreidemärkte & steigende Getreidepreise

Seit nahezu fünf Jahren deckt die weltweite Getreideproduktion nur knapp den jährlichen Verbrauch. Vielen von uns ist eine ähnlich schwache Getreideernte nur noch aus dem Jahre 2007 in Erinnerung. Die Braugerstenernte 2021 durchbricht in preislicher Hinsicht die damaligen Rekordpreise ohne Probleme. Im Unterschied zum Jahr 2007 ist der Markt aber heute von anderen Rahmenbedingungen und einer deutlich stärkeren internationalen Nachfrage gekennzeichnet. Das enorm hohe Preisniveau des Getreidemarktes wird wohl über eine längere Phase anhalten.

Witterung, Wachstum und Ernteverlauf

Für das Jahr 2021 kann man zusammenfassend von einer guten Versorgung, fast schon Überversorgung, mit Wasser sprechen.

Auch die Hitze machte dieses Jahr den Pflanzen weniger zu schaffen. Nur einige, in manchen Regionen extrem heiße Tage im Juni bildeten hierbei die Ausnahme. Diese heißen Tage wiederum waren für die Kornqualität der Braugerste nicht förderlich, sondern führten im Endeffekt zu Sortierungsproblemen mit niedrigem Vollkorngehalt.

Die feuchte Wetterlage hat sich in Deutschland während der gesamten Erntephase fortgesetzt, sodass die Erntefenster regional extrem kurz wurden und oftmals nur feuchtes Getreide gedroschen werden konnte. Die sehr niedrigen Temperaturen während der Erntephase haben hierbei Schlimmeres verhindert. Starkgewitterlagen mit Hagelschäden haben in anderen Regionen zu massiven Schäden bis hin zu Totalausfällen geführt.

Getreide und Braugerste in Deutschland 2021

Die Braugerstenernte 2021 in Deutschland war im Ausgangspunkt von einer Flächenreduzierung von ca. 18 Prozent gegenüber Vorjahr gekennzeichnet. Die Braugerstenfläche fiel auf ein historisches Tief von rund 300000 ha. Die Landwirtschaft hatte damit unter anderem auf den durch die Corona-Pandemie entstandenen Minderbedarf der Brauereien und Mälzereien reagiert. Die Braugerste konnte aufgrund der nur verhaltenen Nachfrage kaum Eigendynamik entwickeln. Die im Herbst 2020 als gut ausreichend eingeschätzte Getreideernte 2020 war im Juni 2021 aufgebraucht, und wir gingen mit nahezu leeren Silos in die Ernte 2021.

Die enorm dichten Getreidebestände, die im Vorfeld der Ernte zu sehen waren, nährten die Hoffnung, dass ein hoher Ertrag den Flächenrückgang ausgleichen könnte. Die Ertragserwartungen wurden jedoch zutiefst enttäuscht. Mangelnde Nährstoffversorgung der vielen Halme und Körner, Krankheitsbefall, einige wenige Hitzetage Ende Juni und einbrechende Getreidebestände durch die feuchte Erntewitterung reduzierten die tatsächlichen Erträge regional deutlich.

Braugerste Getreidefeld
Deutschland weist 2021 einen geschätzten Importbedarf von mindestens 1 Mio t Braugerste auf (Foto: © pexels.com / Felix Mittermeier)

Das Getreide, auch die Braugerste, ist von schwachen HL-Gewichten und regional schwachen Sortierungen gekennzeichnet. In vielen Fällen wurden feuchte Getreidepartien angeliefert. Eiweiß zeigt sich in der Ernte 2021 nicht als Problem. In den Späterntegebieten kam durch die lange Ernteperiode das Thema Auswuchs zum Tragen. Insgesamt ist festzuhalten, dass wir in Deutschland eine außergewöhnlich lange Ernteperiode – Anfang Juli bis Mitte September – hatten. Die Erträge waren unterdurchschnittlich. Die im September gedroschenen Getreidepartien hatten fast ausnahmslos nur noch Futterqualität. Die aus der Getreideernte 2021 produzierte Braugerstenmenge wird derzeit zwischen 900000 und 1 Mio t eingeschätzt. Dies ist ebenfalls ein historisches Tief und hat zur Folge, dass Deutschland einen Importbedarf von mindestens 1 Mio t Braugerste aufweist.

Getreide und Braugerste in Europa 2021

Die Ernte in Süd-Ost-Europa war durch eine gute Winterbraugerstenernte und eine schlechte Sommerbraugerstenernte gekennzeichnet. Die Mengenbilanz in der Summe sollte ausgeglichen sein; es sind keine Exportmengen zu erwarten.

Frankreich hat gegenüber der Getreideernte 2020 auch einen deutlichen Flächenrückgang bei der Sommerbraugerste zu verzeichnen. Eine gute Winterbraugerstenernte wird durch eine knappe Sommerbraugerstenernte mit Qualitätseinschränkungen hinsichtlich Sortierung und Keimfähigkeit deutlich relativiert. Zusätzlich konzentriert sich die Exportnachfrage aus China hinsichtlich Gerste nahezu ausschließlich auf Frankreich.

In Skandinavien zeigt sich in Dänemark eine durchschnittliche Ernte, die aber in Verbindung mit einer schwachen Ernte in Schweden und Finnland wohl nicht 100%ig für den erhofften europäischen Ausgleich sorgen kann.

Versorgungsbilanz für Braugerste: Bestenfalls knapp

Die gesamte europäische Versorgungsbilanz für Braugerste stellt sich aus der Getreideernte 2021 äußerst knapp, bestenfalls ausgeglichen, dar. Zusätzlich wird abzuwarten sein, in wieweit sich die Keimfähigkeit der qualitativ eingeschränkten Braugerstenpartien bis ins kommende Frühjahr erhalten lässt, dies ist eine zusätzliche Risikoposition. Dadurch kann die Braugerstenbilanz noch ins Negative rutschen. Im Frühjahr könnten wir vor einem echten Versorgungsengpass stehen.

Finanzfonds sorgen für zusätzliches Feuer

Auch die anderen Getreidearten, allen voran der Weizen sowie die Ölfrüchte und der Raps, haben die Ernteerwartungen nicht erfüllen können. Beide Früchte eilen an der MATIF-Börse in Paris von einem Hoch zum anderen. Preise für Weizen und Raps, die vor einem Jahr unvorstellbar waren, sind nun Realität geworden. Aus heutiger Sicht scheint es keine Grenzen zu geben. Neben den sehr engen physischen Märkten befeuern die Finanzfonds die Situation an den Börsen noch zusätzlich.

Getreideernte 2021 auf der Nordhalbkugel

Weitere Faktoren treiben die Preise an den internationalen Getreidemärkten nach oben: Hitzewellen während der Vegetationsperiode verursachten schlechte Ernten in den USA und Kanada. Die Ernten in Russland, der Ukraine und Osteuropa blieben ebenfalls unter den Erwartungen, zusätzlich bestehen Exportbeschränkungen für Getreide aus Russland. Die Weltgetreidebestände mussten nach unten korrigiert werden.

Eine gute Getreideernte auf der Südhalbkugel, wie zum Beispiel in Südafrika, ist daher dringend nötig, um die Märkte nicht weiter aus den Fugen zu bringen und für einen weltweiten Ausgleich zu sorgen.

Getreidesorten in Glaesern
Die Malzpreise geraten neben der Rohstoffknappheit zusätzlich durch gestiegene Energiepreise unter Druck (Foto: © IREKS)

Ein Ausblick für 2022 im Getreideanbau

Die Situation reißt den Getreidemarkt 2022 mit sich

Sowohl die Preise auf dem gesamten Getreidemarkt, aber speziell auch auf dem Braugerstenmarkt für die Ernte 2022, befinden sich auf einem ungewohnten, enorm hohen Niveau. Betrachtet man aber den Preisabschlag zur Ernte 2021, ist dies eine durchaus attraktive Preissituation.

Positiv ist sicher, dass die Braugerste sich gegenüber den anderen Früchten wieder behaupten kann. Im Vergleich zum Preisgefüge der anderen Getreidearten kann sich die Braugerste aber nicht entscheidend absetzen. Besonders unter dem Aspekt, dass der Anbau von Braugerste aus Sicht der Landwirtschaft mit erheblich mehr Risiko verbunden ist als der Anbau anderer Getreidearten. Die Erfahrung lehrt uns außerdem, dass es immer schwerer ist, eine verloren gegangene Fläche wieder zurückzuholen, als eine Fläche an andere Früchte abzugeben.

Ungewisse Perspektiven für den Getreideanbau

Die Agrarfläche in der EU geht stetig zurück. Der Ökogetreideanbau soll auf 30 Prozent Marktanteil gesteigert werden – bei einem Minderertrag vom Ökogetreideanbau im Vergleich zum konventionellen Anbau von ca. 40 Prozent. Die EU-Agrarpolitik schränkt den Pflanzenschutz und die Düngung immer mehr ein – Minderertrag ist auch hier die Folge. Egal, ob dieser Weg als positiv oder negativ betrachtet wird – Fakt ist, dass wir langfristig durch diese Maßnahmen einen geringeren Ertrag und dadurch eine geringere Erntemenge in der EU bekommen werden. Die EU wird perspektivisch eine maximal ausgeglichene Getreidebilanz aufweisen und als Getreideexporteur wegfallen.

Besondere Anstrengungen für den Braugerste-Anbau nötig

Die Landwirtschaft hat eine Vielzahl an Alternativen für den Anbau von Braugerste und ist nur durch die Fruchtfolge oder Witterungsbedingungen gezwungen, ihre Anbauplanung anzupassen. Ansonsten wird die Landwirtschaft den preislich attraktivsten Weg mit dem geringsten Risiko wählen. Dafür ist die Braugerste derzeit sicher nicht bekannt. Es wird also besonderer Anstrengungen bedürfen, den Anbau von Braugerste wieder in der Landwirtschaft zu platzieren; besonders, wenn wir die Importquote von Braugerste für Deutschland senken wollen. Nur so erhalten wir wieder einen direkteren Einfluss auf die von unseren Brauereien gewünschten Sorten und Qualitäten. Es bedarf einer Kraftanstrengung vom Halm zum Glas, um die Braugerste wieder dort zu platzieren, wo sie hingehört.

Quellen

1. https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/pflanzenbau/ackerbau/ernte2021.html (abgerufen am 15.11.2021)

2. Erntebericht 2021 – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Landwirtschaft/Pflanzenbau/Ernte-Bericht/ernte-2021.pdf

3. https://www.agrarzeitung.de/markt/markt-news/ernteschaetzung-frankreich-setzt-rotstift-an-97855 (abgerufen am 15.11.2021)


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