Weinmarkt Inside: Wie entwickelt sich der Weinkonsum?

Weinkonsum und -absatz in Deutschland
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Hat das Wetter Einfluss auf den Weinkonsum? Spielt der Trend hin zu Premium bei Wein eine Rolle? Wer kauft in Deutschland überhaupt Wein und wo kaufen die Kunden für ihren Bedarf ein? Die Entwicklung des Wein-Absatzes und -Konsums werfen wie bei vielen anderen Konsumgütern eine Menge Fragen auf.

Die wichtigste Erkenntnis vorweg: Den Marktforschungen und Online-Umfragen von Experten zum Trotz liefern Struktur und Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland noch immer die entscheidende Basis für das, was an Wein eingekauft und konsumiert wird. Außerdem zu erwähnen: Es wird gekauft und unmittelbar konsumiert. Endverbraucher betreiben meist keine ausgedehnte Lagerhaltung. Die meisten Konsumenten kaufen für den raschen Verzehr in den darauffolgenden Tagen ein.

Kein Urlaubstourismus in Weinbauregionen

Während für Länder wie Österreich, Italien, Spanien oder Frankreich der Urlaubstourismus eine nicht unerhebliche Rolle für den Weinabsatz spielt, hat dies in Deutschland kaum Bedeutung. Die 13 deutschen Weinbaugebiete erfreuen sich unter deutschen Wochenend- und Tagestouristen inzwischen zwar größerer Aufmerksamkeit. Ein nennenswerter internationaler Urlaubstourismus in die Weinregionen konnte sich bisher jedoch nirgends etablieren – vom Rheingau und der Rheinromantik versprühenden Rüdesheimer Drosselgasse abgesehen.

Rheinhessen ist mit 26.758 Hektar das größte deutsche Weinanbaugebiet vor Pfalz (23.554 Hektar) und Baden (15.828 Hektar). Im weltweiten Vergleich besitzt Deutschland ein recht kleines Weinanbaugebiet mit etwa nur 10% der Größe des Spitzenreiters Spanien (1 Mio. Hektar).

Während Deutschlands Metropolen wie Berlin, Hamburg oder Stuttgart und Sehenswürdigkeiten wie Bayerns Traumschlösser jährlich eine Vielzahl an Touristen anziehen, dämmern die deutschen Weinregionen noch immer im Dornröschenschlaf.
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Während Deutschlands Metropolen wie Berlin, Hamburg oder Stuttgart und Sehenswürdigkeiten wie Bayerns Traumschlösser jährlich eine Vielzahl an Touristen anziehen, dämmern die deutschen Weinregionen noch immer im Dornröschenschlaf.

Weinkonsum in Deutschland: 20 Millionen Hektoliter

Der Absatz über die Gastronomie ist generell schwierig zu bestimmen. Schätzungen gehen von einem Anteil von zehn bis 15 Prozent der Gesamtmenge des bundesdeutschen Weinmarktes aus, der in den mehr als 200.000 Gastronomiebetrieben in Deutschland ausgeschenkt und konsumiert wird. Das ist mehr als in vielen anderen Ländern und weniger als etwa in Österreich oder Italien, wo sowohl Einheimische als auch Touristen in nicht unerheblichem Maße Wein in der Gastronomie konsumieren.

Den höchsten Wein-Pro-Kopf-Verbrauch weist Portugal mit rund 58,8 Litern auf, gefolgt von Frankreich mit 50,7 Litern und Italien mit 44 Litern. In China ist der Weinkonsum hingegen noch sehr überschaubar: nur rund 1,5 Liter beträgt hier der Wein-Pro-Kopf-Verbrauch.

Das in Deutschland jährlich vorhandene Weinmarktvolumen bleibt seit Jahren relativ konstant und beläuft sich auf etwa 20 Millionen Hektoliter. Das ergibt einen theoretischen Durchschnittskonsum von etwa 29 Litern Wein und Sekt in der deutschen Bevölkerung der über 16-jährigen – die etwa 68,8 Millionen Personen ausmachen.

Davon entfallen rechnerisch pro Person 4,4 Liter auf Sekt und 24,6 Liter auf Stillweine. Solche Durchschnittswerte für den Weinkonsum liefern per Definition jedoch nur theoretische Daten, viel spannender ist daher die Frage, wie sich der Weinkonsum auf die einzelnen Generationen, sozialen Schichten und auf die Geschlechter verteilt.  

Konsumverhalten: 9,6 Millionen „Häufig-Trinker“

Aus den Ergebnissen der Marktforschungen der Geisenheimer Weinkundenanalyse, die auf Basis einer repräsentativen Umfrage erhoben wurde, lassen sich einigermaßen valide Aussagen über solche Fragen des Einkaufsverhaltens und des Konsums treffen. Demnach bekennen sich von den 68,8 Millionen potentiellen Wein-Konsumenten in der Umfrage 2018 lediglich 9,6 Millionen Personen zu den Häufig-Trinkern von Wein, die also regelmäßig ein- oder mehrmals pro Woche Wein konsumieren. 15,1 Millionen Konsumenten zählen sich selbst zu den Gelegenheitstrinkern, die mindestens einmal meist aber zwei- bis dreimal pro Monat Wein trinken. 14,5 Millionen der potentiellen Wein-Konsumenten bezeichnen sich als Selten-Trinker, die seltener als einmal pro Monat Wein konsumieren und immerhin 29,6 Millionen Konsumenten, was 43 Prozent der potentiellen Weintrinker entspricht, gaben an, so gut wie nie oder niemals Wein zu trinken.

Wie der Autor der Studie, Gergely Szolnoki, Professor für Marktforschung an der Hochschule Geisenheim, dazu anmerkte, stellt man bei Sekt ein vollkommen anderes Konsumverhalten fest. Lediglich sieben Prozent zählen sich zu Nicht-Sekttrinkern. Allerdings ist die Konsumhäufigkeit bei Sekt viel geringer, da knapp 60 Prozent der Konsumenten sich bei Sekt zu den Selten-Trinkern bekennen. Sekt wird immer noch zu mehr oder weniger formellen Anlässen wie privaten und geschäftlichen Festen und Feiern getrunken und kann daher als anlassbezogenes Getränk gelten.

Einkaufsverhalten von Alter und sozialem Stand abhängig

Während beim Sekt die SB-Einkaufsstätten den Markt bestimmen, trifft dies beim Wein deutlich weniger zu. Die Einkäufe im Lebensmittelhandel in Super- und Verbrauchermärkten und Discountern kommen mengenmäßig auf etwa zwei Drittel des Gesamtmarktes. Die Einkäufe der Konsumenten in Fachgeschäften, des Ab-Hof-Verkaufs und der übrigen Einkaufsstätten summieren sich auf ein Drittel. Deutliche Unterschiede im Einkaufs- und damit auch im Konsumverhalten bestehen hinsichtlich des Alters und der sozialen Klassen. Während die jüngeren Konsumenten stärker den Discounthandel nutzen, steigt mit dem Alter der Einkauf in spezifischeren und weinaffineren Einkaufsstätten wie Fachgeschäfte und Ab-Hof-Einkäufe beim Winzer oder Weingut.

Das deutsche Kaufverhalten beim Wein: Discounter und Supermärkte sind Spitzenreiter.
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Mit steigendem sozialen Stand steigt auch der Anteil der Menschen, die häufiger Wein kaufen und trinken. Sie kaufen verstärkt in Weinfachgeschäften und bei Winzern und Weingütern ein und haben einen deutlich höheren Pro-Kopf-Konsum.

Nur 30 Millionen Liter Wein werden online bestellt

Wenn man die Ergebnisse der Geisenheimer Weinmarktstudie mit den Daten der bekannten Marktforschungsinstitute kombiniert und ein Abbild des Marktes zeichnet, dann ergeben sich in etwa folgende Mengenvolumen für die einzelnen Einkaufsstätten, die den Hausverbrauch deutscher Haushalte bei Stillweinen versorgen: Die Discounter stehen für einen Absatz von rund 530 Millionen Litern. Im übrigen Lebensmittelhandel, der wie Edeka, Rewe, Kaufland oder Real die klassischen Super- und Verbrauchermärkte betreibt, werden rund 520 Millionen Liter verkauft.

Der Absatz im Fachhandel summiert sich auf etwa 150 Millionen Liter und der Direktabsatz Ab-Hof steuert rund 170 Millionen Liter bei. Der Online- und Versandhandel hat mit etwa 30 Millionen Litern einen zwar wachsenden aber immer noch sehr kleinen Anteil. Hier beginnen immer mehr wein- und online-affine junge Konsumenten einzukaufen. Im Zuge des Generationswechsels und je älter die Einsteigergenerationen werden, umso mehr wird dieser Einkaufsweg an Bedeutung gewinnen.

10 Milliarden Euro Umsatz mit Wein und Sekt in Deutschland

Den Gesamtumsatz mit Stillwein im Verkauf an die privaten Haushalte in Deutschland beziffert die Studie mit rund 7 Milliarden Euro. Die Umsätze in der Gastronomie und mit Sekt hinzugerechnet, summiert sich das Marktvolumen mit Wein und Sekt in Deutschland auf deutlich über 10 Milliarden Euro.

Hitze lässt Weinabsatz stocken

Und wie war das mit dem Einfluss des Wetters? Die Hitzeperiode im Sommer 2018 brachte einen Dämpfer für den Weinkonsum in Deutschland. Der Absatz vor allem von Rotwein kam im Sommer zum Stocken. Die Erklärung ist einfach und liegt am geschlechterspezifischen Konsumverhalten. Während Frauen proportional mehr Weiß- und vor allem deutlich mehr Roséweine trinken und Männer überproportional mehr Rotwein konsumieren, ist für die Absatzdelle der Konsumverzicht der Männer verantwortlich.

Aus allerdings durchaus nachvollziehbaren Gründen: Bei Temperaturen von 30 Grad und mehr ist auf der Terrasse oder dem Balkon ein kühles Bier sicher weitaus entspannender als ein gut temperiertes Glas Rotwein. So bleibt bei den Weinvermarktern der Wunsch nach schönem Wetter bestehen, aber ohne tropische Temperaturen.

Dr. Hermann Pilz

Seit mehr als 20 Jahren leitet Dr. Hermann Pilz als Chefredakteur die Fachzeitschrift WEINWIRTSCHAFT und schreibt leidenschaftlich gerne über die verschiedensten Themen der Wein- und Spirituosen-Branche.