Neue Pils-Generation macht Furore

Neue Pils-Generation macht Furore
© Pixabay, User: Rawpixel

Den rückläufigen Pils-Absatz wollen Brauereien jetzt mit individueller Geschmacksvielfalt stoppen. Um neue Zielgruppen zu gewinnen, rücken jetzt auch internationale Produzenten die untergärige Biersorte mit neu interpretierten Hopfen- und Malzkombinationen stärker ins Rampenlicht – eine neue Pils-Generation ist auf dem Vormarsch.

Wahrscheinlich ist es die duftende Hopfennote, der frische und spritzige Antrunk oder die leicht bittere Note, die das Pils mit einem Marktanteil von mehr als 50 Prozent noch immer zum meistgetrunkenen Bierstil in Deutschland macht. Aber zum Leid selbst erfolgreicher Produzenten sinkt der Pils-Absatz seit Jahren kontinuierlich. Schuld daran, so urteilen Experten, sei die Angleichung aller Noten und Aromen, sodass Konsumenten – vor allem im Umfeld bekannter Premium-Marken – kaum noch Geschmacksunterschiede wahrnehmen konnten.

Durch die Kreation neuer Biere neue Zielgruppen ansprechen

Dass der vielfach beschworene Pils-Trend vorbei ist, wollen Pils-Produzenten jedoch nicht akzeptieren. Mit neuen Rezepturen, die mehr auf individuelle Rohstoffkombinationen abzielen, wollen sie eine neue Geschmacksvielfalt schaffen und damit den Abwärtstrend aufhalten. Die hohe Trinkbarkeit des untergärigen Bieres interessiert inzwischen Brauer auf der ganzen Welt. Durch die internationale Craft-Bierbewegung existieren in der Pils-Stilistik inzwischen viele Neuinterpretationen, die durch besondere Hopfen- und Malzbeigaben veredelt werden. Damit wollen Brauer nun neue Zielgruppen – auch jenseits traditioneller Pils-Liebhaber – erschließen. Entgegen aller Unkenrufe haben internationale Bier-Experten bereits eine „New Pilsner Era“ ausgerufen.

Neue Pils-Generation: Die Entwicklung ist vor allem in der USA zu spüren

Deutsche Brauer berufen sich bei dieser Entwicklung auf eine langjährige Pils-Tradition, die viele der neuen Produzenten – insbesondere in den USA – erst noch nachvollziehen müssen. Pils, das weiß jeder Brau-Lehrling, verzeiht keine Fehler und zählt daher zu den kompliziertesten Bierstilen überhaupt. Jim Koch, Mitgründer und Chef der Boston Beer Company und Brauer der Marke Samuel Adams schätzt vor allem die Herausforderung der Stilistik: „Pilsner-Biere repräsentieren die hohe Kunst des Brauens und wenn sie gelingen, dann sind sie ein Meisterwerk, ähnlich wie das Lächeln der Mona Lisa.“

Solche Worte einer Legende sind wohl auch der Grund, dass gerade in den USA die Pils-Welle stark ins Rollen kommt. So führt inzwischen eine der ältesten Craft-Brauereien der Welt, Sierra Nevada Brewing, neben einer Vielzahl moderner Bierstile den untergärigen Pils-Varianten sogar im Standardportfolio. Die Macher im kalifornischen Chico brauen ihr „Nooner“ nach deutschem Vorbild mit hiesigem Saphir, Hallertauer Perle und Tettnanger Hopfen. Den besonderen Touch bekommt das Bier aber noch durch die französische Hopfensorte Strisselspalt, die ihm noch ein feines, fruchtiges Aroma schenkt.

Solche Aroma-Variationen finden offensichtlich immer mehr das Interesse amerikanischer Bier-Liebhaber. Deshalb setzt Florian Kuplent, Chef der Urban Chestnut Brewing in St. Louis, gleich auf mehrere Pils-Varianten. So hat er sowohl klassische, wie neuinterpretierte Sorten nach US-Stil im Angebot. Auch Matt Brynildson, Braumeister bei der Kult-Brauerei Firestone Walker freut sich über den aufkommenden Pils-Trend. „Gerade Lagerbiere im Pilsener Stil sind noch Neuland für viele US-Brauer und warten darauf, entdeckt zu werden“, sagt der Kalifornier.

Die neue Pils-Elite und ihre Vertreter

Aber nicht nur US-Brauer setzen auf moderne Pils-Interpretationen. Zu den exklusivsten Vertretern der neuen Pils-Elite zählt die italienische Kreativ-Brauerei Birrificio Lambrate, die gerade ihr „American Magnut“ im untergärigen Stil in den Markt hievte. Was für deutsche Pils-Produzenten noch ziemlich exotisch klingt, markiert eindrucksvoll den neuen Bier-Stil: Die Mailänder verwendeten für ihr Pils die amerikanischen Hopfensorten Chinook, Simcoe, Mosaic und Citra. Dadurch präsentiert das Bier ein tropisches Aromaspiel mit dezenten Kräuternoten und einem blumigen Bukett. Durch das besondere Aroma gewann das Bier gerade erst die Goldmedaille beim European Beer Star, einem der renommiertesten Bier-Awards der Welt.

Auch in Deutschland wagen sich immer mehr junge Kreativ-Brauer, die bei traditionellen Bierstilen noch vor wenigen Jahren die Nase rümpften, an moderne Pils-Varianten. Einer der Hauptgründe dafür ist die ablehnende Haltung der Gastronomie gegenüber extremen Suden, die sich nur schwer und erklärungsbedürftig an den Mann bringen lassen. Wirte setzen eher auf bekannte Bierstile mit hoher Drinkability. Ein wichtiger Grund auch für die in Hamburg ansässige Ratsherrn Brauerei, die jüngst neben ihrem herkömmlichen Pils eine ganze „New Era Pilsener“-Serie auf den Markt warf. Mit vier verschiedenen Sorten will das Hanse-Team beweisen, was mit diesem Bierstil alles möglich ist. So gibt es in der Pils-Reihe jetzt fruchtiges „Dry Hopped“, kräftiges „Imperial“ mit 7,5 Prozent, würziges „Pfeffersack“ – auch mit Zutaten außerhalb des Reinheitsgebotes – sowie eine Light-Version mit nur drei Alkoholprozenten namens „Session“.

Auch Senkrechtstarter Tilman Ludwig von Tilmans Biere in München legte aktuell ein Pils vor, allerdings orientierte sich der Braumeister an traditioneller tschechischer Brauart. Für das besondere Aroma sorgen indes die amerikanischen Hopfensorten Mosaic und Citra, von denen Ludwig jede Menge in den Sud stopfte. Das Ergebnis: Ein Pils mit hochattraktiven Aromaspiel und bester Trinkbarkeit.

Kollaborationssude im Pils-Geschäft: Brauereien setzen auf Innovationen

Die neue Pils-Bewegung schafft es sogar schon so weit, dass sich zwei Brauereien aus verschiedenen Ländern zusammentun, um eine besonders spannende Version zu kreieren. Die Macher von Braufactum aus Frankfurt am Main flogen dafür extra nach Moskau zu Braumeister Mikhail Ershov in die Wolfs Brewery um ein ungewöhnliches „Fest-Pilsner“ zu entwickeln. Dabei handelt es sich um einen Hybrid aus Pils und traditionellem Festbier, den das internationale Team mit sechs verschiedenen Hopfensorten aus Deutschland und Tschechien braute. Der deutsch-russische Schulterschluss beweist damit gleich doppelt, dass der Vielfalt beim Pils kaum Grenzen gesetzt sind. Die Gastronomie wird solchen Innovationen danken.

Mareike Hasenbeck

Mareike Hasenbeck ist freie Journalistin, Craft-Bier-Bloggerin von Feiner Hopfen sowie Biersommelière und international DLG geprüfte Sachverständige für Bier-Sensorik.