Fassgelagert: Globaler Aufschwung von „Barrel Aging“
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Einst wurde das Holzfass nur als günstiges Transportmittel genutzt. Heute lassen kreative Brauer ihre Biere monatelang fassgelagert, um komplexe Geschmacksabenteuer zu erzielen. Dafür braucht es jedoch jede Menge Wissen und Erfahrung.
Holzfässer sieht man in der Bierbranche immer weniger. Die urigen Gebinde, die einst angeblich schon von den Kelten als Transportmittel erfunden wurden, kommen meist nur noch als Show-Effekt auf Volksfesten oder in urigen Wirtshäusern zum Einsatz. Das traditionelle Holzfass wurden aus praktischen Gründen – vor allem in der industriellen Bierproduktion – inzwischen weitgehend durch Metall- oder Kunststoff-Fässer ersetzt.
„Barrel Aging“ erfordert viel Knowhow
Doch auf der Suche nach immer neuen Geschmacksnoten entdecken Spezialitätenbrauer wieder das Holzfass für besondere Biergenüsse. Aber nicht als ansehnliche Lagermöglichkeit, sondern vielmehr um ihre Biere darin reifen zu lassen und somit ein komplexes und ganz individuelles Aroma zu kreieren. Rund um den Globus, vor allem in den USA, in Belgien und den Niederlanden, aber auch in Deutschland, entdecken experimentierfreudige Brauer die Vorzüge fassgelagerter Spezialitätenbiere. Und gerade jetzt in der kalten Jahreszeit eignen sich die daraus entwickelten Biersorten – mit meist gehobenem Alkoholgehalt – hervorragend als Digestif oder als abendliche Begleitung vor dem Kamin.
Bei einer solchen Fassreifung geht es nicht einfach darum, den Sud mal eben ins Holz zu legen. Experten sagen, dass das sogenannte „barrel aging“ viel Knowhow erfordert und auch mal gänzlich schief gehen kann. Martin Zarnkow, Leiter des Forschungszentrums Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität an der Technischen Universität München untersucht die Prozesse und chemischen Wechselwirkungen bei fassgelagertem Bier. Für den Wissenschaftler ist die Arbeit mit hölzernen Gebinden ein komplexer Vorgang, um Bieren ein besonderes Aroma zu verleihen und sie damit zu veredeln. Dafür sind verschiedene Prozesse verantwortlich. Entscheidend ist die sogenannte Mikrooxygenierung, was bedeutet, dass ein Fass niemals komplett dicht ist und so ein permanenter Luftaustausch stattfindet, der die Substanzen im Bier geschmacklich verändert.
Fassgelagert = besonderes Aroma
Außerdem nutzen mutige Pioniere der Spezialitätenbranche gern vorbelegte Fässer, in denen zuvor Whisky, Rum, Brandy oder auch Wein schlummerte. Für die besondere Stilistik und den Geschmack sind vor allem Mikroorganismen verantwortlich, die noch von der Fermentierung des Vorgetränks im Holz stecken. Das fassgelagerte Bier nimmt das Aroma mit der Zeit auf, was die besondere Note des Bieres prägt. Somit unterliegt jede Alterung im Fass einer gewissen Dynamik. Dabei kommt es nicht nur auf Biersorte und Fass an, sondern auch auf Lagerungstemperatur und Luftfeuchtigkeit. Generell gilt: Je länger das Bier fassgelagert wird, umso kräftiger entwickelt sich der Geschmack. Forscher Martin Zarnkow bedauert, dass ein mit Bier belegtes Fass nur einmal zu verwenden ist, da es nach dem Gebrauch quasi ausgelaugt ist. Ein fassgelagertes Bier ist demnach von Brauern nicht reproduzierbar, so dass meist limitierte und hochpreisige Sondersorten in den Handel kommen. Aber Tatsache ist, dass die Fassreifung in dieser Form in der Bierspezialitäten-Szene als wahre Königsdisziplin gilt.
Karamell, Vanille und Eichenholz…
Zu den Vorreitern dieses Trends zählen US-Brauer, wie etwa das Team von Stone Brewing in Escondido, die wie kaum ein anderer Produzent schon fast jeden Bierstil im Holzfass reifen ließen. Momentan führen die Kalifornier rund fünf solcher fassgelagerter Varianten im Portfolio. Beispielsweise legten die Stone-Brauer ihr Mocha-Stout namens „Xocoveza“ in Bourbon-Fässer, um ein kräftiges Aroma von Karamell, Vanille und Eichenholz zu erzielen. Außerdem gibt es in Escondido ein belgisches India Pale Ale, dass in Tequila-Fässern reifte oder aber auch ein Belgian Style Abbey Ale aus Rotweinfässern.
Nicht nur bei Stone, auch die renommierte US-Brauerei Firestone Walker in Paso Robles konzentriert sich gern auf Fassgelagertes. Neben einer Serie mit Wild Ales, die aromatisch in französischen Eichenfässern – sogenannten Barriques – heranwachsen, entwickelten die Kreativköpfe auch mit Vorliebe verschiedene Spezialitäten aus unterschiedlichen amerikanischen Whisky-Fässern. In die Holzfässer packen die Bierprofis Brown Ales, Barley Wines, Stouts sogar eine Berliner Weiße.
…oder lieber Pflaumen, Zucker und Schokolade?
Neben US-Brauern entdeckten inzwischen auch andere Nationen rund um den Globus fassgelagerte Biere für sich. Auch die Niederländer von der Brouwerij de Molen brachten gerade ein Barrel Aged Imperial Stout namens „Mooi & Meedogenloos“ auf dem Mark, das im Bourbon-Barrel lagerte. Für den Extrakick gaben die Brauer noch Amarena-Kirschen hinzu. Ergebnis: Ein zwölfprozentiges Bier mit Aromen von Pflaumen, braunem Zucker, Vanille und Schokolade. Auch die renommierte Braustätte Duvel aus Belgien veredelt ihr Bier in Whiskey-Fässern. Einige Versionen davon gewannen bereits internationale Preise, die das Brau-Team noch mehr in ihrer Leidenschaft stärken. So bringt Duvel 79.092 nummerierte Flaschen in der dritten Charge heraus. Die 351 Fässer, die alle mindestens fünf Jahre alt sind, stammen aus amerikanischen Bourbon-Brennereien wie Woodford Reserve oder Jack Daniel’s.
Wenn der Brauer zum Künstler wird
Auch wenn es sich nach allgemeiner Rechtsauffassung bei solchen Kreationen eigentlich um Biere außerhalb des Reinheitsgebotes handelt, tüfteln auch immer mehr deutsche Brauer an fassgelagerten Suden. Die Camba Bavaria aus dem oberbayerischen Truchtlaching hat beispielsweise gleich mehr als zehn verschiedene Barrel-Age-Vertreter im Portfolio. Darunter Sorten aus Rum-, Cognac-, Whisky- und Muscatel-Fässern. Hinzu kommen regionale Versionen aus Bottichen mit ungewöhnlichen Vormietern wie Schlehengeist, Williams- oder Zwetschgenbrand.
Zahlreiche deutsche Kreativbrauer pflegen die Fassreifung inzwischen als wahre Kunst. In Hamburg experimentiert beispielsweise die Ratsherrn Brauerei mit Madeira- und Bordeaux-Gebinden, während Markus Hoppe vom oberbayerischen Hoppebräu gerade ein Imperial Stout aus Oloroso-Sherry-Fässern vorlegte. Als echtes Hammerbier gilt der „Aged Bock“ von Schwarzbräu aus dem süddeutschen Zusmarshausen, der bereits mehrere Preise bei internationalen Bier-Awards abräumte. Die Lust der Brauer zu fassgelagerten Spezialitäten scheint ungebrochen. Viele von ihnen sehen „barrel aging“ als neue Herausforderung um ihre Fans mit harmonischen, komplexen und hocharomatischen Genussbieren zu überraschen.