Mensch vs. Maschine: Erntemaschinen im Weinbau
Pflügen, Eggen, Säen, Ernten: In der Landwirtschaft geht es längst nicht mehr ohne Maschinen. Vom Traktor bis zum GPS-gesteuerten Mähdrescher: Das gehört zum Landleben einfach dazu. Auch im Weinbau werden Erntemaschinen eingesetzt, doch hier haben Weinliebhaber eine psychologische Hemmschwelle. Wir stellen uns die Weinerzeugung am liebsten als traditionelles Handwerk vor. Der Winzer soll bitte schön persönlich im Wingert stehen und vom Rebschnitt bis zur Ernte alles per Hand erledigen.
Dies ist nicht nur eine romantische Vorstellung von Verbrauchern, sondern mehr: auch Argument der Winzer. „Handlese“ ist ein unverzichtbares Qualitätskriterium etwa beim hochwertigen Schaumwein (Crémant), wird jedoch auch bei entsprechend hochpreisigen Weinen durchgeführt. Das Argument: Nur Handlese garantiere die optimale Selektion, das heißt Eliminierung fauler, unreifer oder beschädigter Beeren, sowie die Unversehrtheit der gesunden Beeren, die in kleinen Transportkörben zur Kelter gebracht werden, damit sich die Beeren nicht durch ihr Eigengewicht quetschen. Bei sehr steilen Weinbergen bleibt den Winzern meist gar nichts anderes übrig als ihre Erntehelfer mit der Traubenschere in den Wingert zu schicken. Dagegen betrachten viele Liebhaber die Erntemaschine abfällig als Merkmal einer Massenproduktion. Undenkbar, dass ein teurer Eiswein mit der Maschine gelesen wurde (wie es jedoch sehr oft der Fall ist!).
Erntemaschinen: schnell, flexibel, günstig
Die modernen Erntemaschinen, mit denen die reifen Beeren mit einstellbaren Rüttelstäben von den Rebstöcken geschlagen und aufgefangen werden, können aber eine sehr schonende Ernte gewährleisten. Manche Modelle, wie die der Firma Pellenc, können sogar mit einem optischen System Trauben selektieren – ein wichtiger Schritt bei der Qualitätsweinbereitung. Im gleichen Arbeitsgang werden die Trauben entrappt, also von den Stielen getrennt. Sie können sofort in die Kelter gefüllt werden. Wer Erntemaschinen einsetzt, spart Personal. Während bei der Handlese pro Hektar rund 250 Arbeitsstunden anfallen, die 30 Helfer an einem Arbeitstag leisten können, schafft eine Erntemaschine die gleiche Fläche mit weniger als zehn Entladungen in wenigen Stunden. Kosten von 1.800 bis 2.500 Euro pro Hektar bei der Handlese stehen 550 bis 600 Euro bei der Maschinenlese gegenüber. Mehr noch als die Personalersparnis zählt der Zeitvorteil. In manchen Jahren kommt es darauf an, extrem schnell lesen zu können, wenn etwa feuchtes und warmes Wetter für hohen Krankheitsdruck (Fäulnis) sorgt. Solche „Blitzlesen“ wären ohne Erntemaschinen unmöglich. Die Maschinen können auch nachts oder in den frühen Morgenstunden ihre Arbeit vollbringen, wenn es kühl ist. Das schont die Trauben ebenfalls. Sogar Steillagen können mit Erntemaschinen bearbeitet werden. Eine Firma in Piesport an der Mosel hat ein spezielles Modell mit Raupen entwickelt, das zur Lese 2016 erstmals eingesetzt wurde. Die Maschine wird durch ein Stahlseil gesichert und kann einen Hektar in drei bis vier Stunden abernten.
Mensch und Maschine: Hand in Hand im Weinbau
Doch Maschinen machen den Menschen im Weinbau nicht überflüssig. Optimale Ergebnisse mit der Erntemaschine erzielt, wer vorher per Hand ungeeignete Trauben entfernt hat. Der Klimawandel wird jedoch bald ein Umdenken erforderlich machen, etwa indem die Ernte zukünftig weitgehend nachts stattfindet. Hier sind die Maschinen klar im Vorteil, auch weil sie flexibler eingesetzt werden können als Erntemannschaften. Schon jetzt sagen Fachleute, dass die Qualitätsunterschiede zwischen „maschinengelesenen“ und „handgelesenen“ Weinen statistisch nicht absicherbar sind. Voraussetzung ist, dass gesundes Traubenmaterial geerntet wird. Ein Winzer in der Pfalz wird allerdings die Erntemaschinen verfluchen: Unbekannte haben ihm vor einigen Jahren bei Nacht und Nebel seinen Weinberg maschinell abgeerntet und 2.500 Kilogramm Trauben erbeutet. Die Trauben an den Rebzeilenenden ließen sie zur Tarnung hängen.