Zuckersteuer auf Softdrinks: Hilfreich oder überflüssig?

Einige Gläser mit bunten Softdrinks
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Seit dem 6. April 2018 gibt es im Vereinigten Königreich eine Zuckersteuer auf stark gezuckerte Softdrinks, die die Hersteller zu tragen haben und die sie in der Regel an die Konsumenten weitergeben. Durch diese Steuer wurden zahlreiche Diskussionen zum Thema Zucker in Getränken angeregt – nicht nur innerhalb Großbritanniens.

Das bereits im März 2016 in Großbritannien verabschiedete Gesetz verpflichtet die Hersteller von Softdrinks für Produkte, denen mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter zugesetzt wurde, je Liter 18 Pence (knapp 21 Cent) an Steuern zu bezahlen. Bei mehr als acht Gramm Zucker pro 100 Milliliter werden sogar 24 Pence je Liter fällig. Laut der Verbraucherorganisation foodwatch führte das Gesetz – noch bevor es in Kraft trat – dazu, dass der britische Marktführer Coca-Cola den Zuckergehalt seiner Softdrinks Fanta und Sprite von 6,9 Gramm auf 4,6 Gramm bzw. von 6,6 Gramm auf 3,3 Gramm senkte und auch der zweitgrößte Erfrischungsgetränkehersteller Großbritanniens, Britvic, den Zuckergehalt seiner Eigenmarken derart stark reduzierte, dass 94 Prozent hiervon nicht von der Abgabe erfasst werden. Außerdem reagierten die Handelsunternehmen Tesco und Lidl zügig und stellten durch Rezepturänderungen bei ihren Eigenmarken sicher, dass auch diese nicht besteuert werden. Als Ergebnis korrigierte das Office for Budget Responsibility (OBR), das den britischen Staatshaushalt überwacht, die für 2018 bis 2019 durch die neue Steuer geschätzten Einnahmen von ursprünglich berechneten 520 Millionen Pfund auf etwa 240 Millionen Pfund. Gründe genug für foodwatch, eine solche Steuer auch für Deutschland zu befürworten. Was ganz im Sinne der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist, die Zucker in Getränken als eine der Hauptursachen für Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes bezeichnet.

Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke pocht auf Eigenverantwortung

Die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (wafg) sieht das völlig anders. Die Meinung dort: „Verbrauchssteuern auf einzelne Produkte bzw. Nährstoffe wie Zucker sind kein sinnvolles Instrument zur gezielten Bekämpfung von Adipositas. Krankhaftes Übergewicht bedarf ernsthafter Behandlung statt Kampagnen.“ Außerdem verweist die Wirtschaftsvereinigung darauf, dass der Verbraucher in Deutschland auch ohne derartige Reglementierungen immer weniger zu stark zuckerhaltigen Getränken greift. Statistische Daten bestätigen das. Lag der Konsum zuckerhaltiger Limonaden einschließlich der klassischen Cola- und Cola-Mix-Getränke pro Kopf in Deutschland im Jahr 2016 beispielsweise noch bei 64,5 Litern, betrug er 2017 nur mehr 62,1 Liter.

Die deutschen Verbraucher scheinen in Hinblick auf die Wirksamkeit einer Steuer auf Zucker in Getränken indes keine ausgesprochen klare Meinung zu haben. Gemäß einer jüngst von foodwatch beauftragten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov sprachen sich von insgesamt 2000 erwachsenen Teilnehmern 52 Prozent und damit nur eine äußerst knappe Mehrheit für eine „Limo-Steuer“ aus. Jedoch sind sich 75 Prozent der deutschen Verbraucher von kohlensäurehaltigen Softdrinks einer Mintel-Studie zufolge darüber einig, dass Hersteller mehr tun sollten, um den Zucker in ihren Produkten zu reduzieren.

Internationale Erfahrungen mit der Zuckersteuer mehrheitlich positiv

Nicht nur deutschland-, sondern auch europa- und weltweit wird die Sinnhaftigkeit einer Abgabe auf stark zuckerhaltige Softdrinks derzeit divers diskutiert – unter Einbeziehung von gesammelten Erfahrungen, denn in zahlreichen Ländern kommt sie neben dem Vereinigten Königreich schon zum Tragen. So zum Beispiel in Portugal, Estland, Belgien, Norwegen, Frankreich, Ungarn, aber auch in Mexiko, Südafrika sowie in verschiedenen US-Staaten.

Beispielsweise fällt in Mexiko für Softdrinks seit dem Jahr 2014 ein Peso pro Liter an, was in etwa einer zehnprozentigen Steuer entspricht. Angeblich kauften die Mexikaner im ersten Jahr der Besteuerung sechs Prozent, im zweiten Jahr um die zehn Prozent weniger an stark zuckerhaltigen Getränken ein. In der kalifornischen Stadt Berkeley, die 2015 als eine der ersten Städte innerhalb der USA eine Softdrink-Steuer realisierte, sank der Konsum bei Niedrigverdienern durch eine 15- bis 25-prozentige Besteuerung von zuckergesüßten Getränken bereits im Jahr der Einführung um 21 Prozent. Das portugiesische Gesundheitsministerium spricht davon, dass sich der Verbrauch der am stärksten zuckerhaltigen Getränke 2017, also in dem Jahr, in dem die Steuer auf zuckerhaltige Produkte dort erstmals zum Tragen kam, halbierte. Der Rückgang ging hier jedoch – ebenso wie in Großbritannien – zu einem großen Teil auf Rezepturänderungen zurück. In Ungarn verminderten laut WHO nach Einführung der Abgabe etwa ein Fünftel der Einwohner ihren Softdrinkkonsum. Doch es gibt auch Beispiele, die nicht von Erfolg zeugen. So schaffte Dänemark die Softdrinksteuer wieder ab, weil Konsumenten nach Schweden oder Deutschland auswichen.

Vorteile einer proportionalen Steuer

Gesundheitsökonom Renke Schmacker vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung beschäftigt sich intensiv mit dem Thema der Steuererhebung auf zuckergesüßte Getränke und meint, dass sie durchaus zu einer Verminderung von deren Konsum führen kann. Eine besonders gute Steuerungswirkung dürfte seiner Meinung nach eine proportionale Steuer, wie sie im April 2018 in Südafrika eingeführt wurde, auf den Zuckergehalt in Getränken entfalten. Hier sind die ersten vier Gramm Zucker pro 100 Milliliter Getränk steuerfrei, danach wird jedes zusätzliche Gramm mit zwei südafrikanischen Cents besteuert. „Der Vorteil liegt darin, dass die Hersteller einen kontinuierlichen Anreiz haben, den Zuckergehalt zu senken und es so keine Häufung knapp unterhalb der Schwellenwerte geben kann“, meint Schmacker. Seiner Meinung nach könnte sich eine Softdrinksteuer auch stark auf die künftigen Konsumgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen auswirken, da sie ihren Geschmack noch ausbilden. Übrigens: Auch Großbritannien scheint vor allem an diese Zielgruppe zu denken. Das zeigt sich daran, dass die Regierung mit dem durch die Besteuerung auf stark zuckerhaltige Getränke erwirtschafteten Einnahmen insbesondere den Schulsport fördern möchte.

Künstliche Süßstoffe…

Das alles macht zunächst einmal glauben, dass Zuckersteuer und Gesundheit in der Tat Hand in Hand gehen können. Allerdings, und das ist für viele ein Wermutstropfen, wird Zucker in Softdrinks, die in ihrer ursprünglichen Form der Besteuerung unterlägen, häufig durch künstliche Süßstoffe ersetzt. Einer Mintel-Studie zufolge sind jedoch 25 Prozent der französischen, 29 Prozent der deutschen, 22 Prozent der italienischen, 27 Prozent der spanischen und 30 Prozent der polnischen Verbraucher der Meinung, dass künstliche Süßstoffe in Getränken längst nicht so gut schmecken wie Zucker. Ganz abgesehen davon, dass künstliche Süßstoffe nicht gerade als gesundheitsfördernd gelten. Eine Untersuchung, die 2017 im „Canadian Medical Association Journal“ veröffentlicht wurde, zeigte einmal mehr, dass der tägliche Verzehr von Süßstoff das Risiko für Gewichtszunahme, Diabetes und Herzkrankheiten erhöht.

…contra natürliche kalorienarme Süßung

Künftig könnte eine Lösung lauten, verstärkt auf natürliche kalorienarme Süßungskonzepte zu setzen. In diese Richtung immer wieder neu zu denken, ist gerade vor dem Hintergrund einer zunehmenden Gesundheitsorientierung der Verbraucher eine wesentliche Aufgabe für die Softdrinkbranche. Beispielsweise steht mit Stevioglycosiden, den süßenden Komponenten der Stevia-Pflanze, eine interessante Möglichkeit bereit. Außerdem können Frucht- oder Gemüsekonzentrate die gewünschte Süße liefern. Laut Mintel kommt ein neuer Trend aus den USA. Hier sind natürliche, aber kreativ aromatisierte Sprudelwasser im Trend. Jenny Zegler, Associate Director Mintel Food & Drink: „Der Wunsch von Verbrauchern nach zuckerfreien, aber trotzdem gut schmeckenden Getränken treibt diesen Trend an. Augenblicklich erreicht Innovation in diesem Bereich neue Höhen. Diesen Sommer können wir weniger Limo und mehr originelle und fast verrückte Mineralwässer erwarten. Beispielsweise wurde europaweit ein mit Spirulina aromatisiertes und damit blau gefärbtes kohlensäurehaltiges Wasser eingeführt und in Japan gibt es seit Neuestem ein mit grünem Kaffee-Extrakt, Kaffeekirschen und Kokos verfeinertes Mineralwasser.“

Süßungskonzepte als Erfolgsbaustein für Softdrinks

Generell ist zu erwarten, dass Süßungskonzepte in Zukunft einen noch wesentlicheren Anteil am Erfolg von alkoholfreien Softdrinks haben werden. Ob dann noch eine Zuckersteuer nötig ist oder der Verbraucher aufgrund seines veränderten Nachfrageverhaltens die Getränkebranche in Hinblick auf Zuckerreduzierung zur Genüge beeinflussen kann, das wird die Zeit zeigen und sich wahrscheinlich auch von Region zu Region unterschiedlich darstellen.

Friederike Arndt

Die selbstständige Fachjournalistin Friederike Arndt gilt als Expertin für den Bereich Getränke und war unter anderem lange Zeit als Redakteurin der Fachzeitschriften Getränkeindustrie und Getränkefachgroßhandel tätig. In dem Blog berichtet sie über die neuesten Trends und Innovationen aus dem Bereich der Alkoholfreien Getränke.