Kunststoffe: Wohin geht die Flaschen-Reise?
![Viele Plastikflaschen](https://drinktec-blog.b-rex.de/wp-content/uploads/2018/03/Synvina_bottle-1024x484.png)
„Wenn wir nicht die Art und Weise ändern, wie wir Kunststoffe herstellen und verwenden, wird 2050 in unseren Ozeanen mehr Plastik schwimmen als Fische“, rüttelt Frans Timmermans, erster Vizepräsident und EU-Kommissar für Bessere Rechtssetzung, interinstitutionelle Beziehungen, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtecharta in der Kommission Juncker, auf.
Vor dem Hintergrund, dass allein in Europa jedes Jahr 25 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle erzeugt und davon weniger als 30 Prozent für das Recycling gesammelt werden, ist das Szenario 2050 durchaus vorstellbar. Mit Hilfe einer neuen EU-weiten Strategie für Kunststoffe wird dieses Thema nun angegangen. Gemäß neuer Planungen sollen ab 2030 sämtliche Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt recyclingfähig sein. Ein wesentlicher Schritt, der von einem Umdenken – auch innerhalb der Getränkebranche und hier bei Kunststoff-Getränkeflaschen – zu begleiten ist.
Stark wachsender Markt für Biokunststoffe
Biokunststoffe erhalten in diesem Zusammenhang ein immer größeres Forum. Allein in den nächsten fünf Jahren soll der Markt für Biokunststoffe um 20 Prozent wachsen. Vom Verband European Bioplastics wird demnach ein Anstieg der weltweiten Produktionskapazitäten für Biokunststoffe von ca. 2,05 Millionen Tonnen 2017 auf etwa 2,44 Millionen Tonnen 2022 prognostiziert. „Nicht zuletzt tragen das gesteigerte Verbraucherbewusstsein für nachhaltige Produkte und Verpackungen zu dem Wachstum bei“, meint Francois de Bie, Vorsitzender von European Bioplastics.
Größen der AFG-Branche denken strategisch
Zahlreiche Größen der Getränkebranche stehen dem Trend zu Biokunststoffen äußerst positiv gegenüber. So möchte PepsiCo beispielsweise den Einsatz von biobasierten Materialien erhöhen und bis 2025 nur noch recyclingfähige oder kompostierbare Verpackungen verwenden. „Biokunststoffe sind die Schlüsselelemente unserer nachhaltigen Verpackungsstrategie“, meint dazu Sandeep Kulkarni, Senior Principal Scientist bei PepsiCo.
Geplante gemeinsame Aktion von Danone und Nestlé Waters: bis 2020 eine Getränkeflasche aus 100 Prozent biobasiertem PET in den Markt bringen. Dazu haben sich die beiden Größen mit Origin Materials zur NaturAll Bottle Alliance zusammengefunden. Das Startup aus den USA entwickelte ein Verfahren, in dem Rohstoffe aus Lignocellulose, vor allem stammend aus Altpapier, Sägemehl und Holzchips, verarbeitet werden. Origin Materials möchte aus der Biomasse Bio-PTA produzieren. Dieses soll die 70 Prozent an PTA im PET ersetzen. Derzeit wird dieses PTA nur aus fossilen Rohstoffen synthetisiert. Der zweite Bestandteil des PET, Monoethylenglycol, wird bereits aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen.
PEF bietet zahlreiche Vorteile
Dennoch, der Fokus der Branche scheint sich immer stärker auf ein neues Polymer zu richten: PEF. PEF ist 100 Prozent biobasiert und weist im Vergleich zu PET verbesserte Barriere- sowie thermische Eigenschaften auf. Folge: In PEF-Flaschen abgefüllte alkoholfreie Getränke sind länger haltbar. Gleichzeitig dürfen PEF-Flaschen dünnwandiger sein als klassische PET-Flaschen, wodurch ein geringerer Anteil an Verpackungsmaterial benötigt wird.
Um die Herstellung von PEF dreht sich alles im speziell dafür etablierten Unternehmen Synvina, Amsterdam, einem von BASF und Avantium gegründeten Gemeinschaftsunternehmen zur Herstellung und Vermarktung von Furandicarbonsäure (FDCS) aus nachwachsenden Rohstoffen sowie zur Vermarktung des neuen Polymers Polyethylenfuranat (PEF) aus dem chemischen Baustein FDCS. Zur FDCS-Produktion wird Synvina das von Avantium entwickelte YXY-Verfahren nutzen, welches auf Fructose als nachwachsendem Rohstoff basiert. Ein wesentlicher Erfolg für das Unternehmen stellt die vorläufige Genehmigung der European PET Bottle Plattform (EPBP) zur Entsorgung der PEF-Flaschen über vorhandene Rückgewinnungssysteme für PET dar. Diese Genehmigung gilt für die Menge an PEF, die mit Hilfe der beabsichtigten 50.000 Tonnen Referenzanlage von Synvina für FDCS hergestellt werden kann.
Neue Kunststoffe: Alternative Ansätze zur Herstellung
Doch es gibt auch andere Ansätze zur PEF-Herstellung als den von Synvina. Beispielsweise gewinnen Wissenschaftler der Universität Hohenheim aus Chicorée-Wurzelrüben ungereinigtes Hydroxymethylfurfural (HMF), das zur Herstellung von PEF-Flaschen verwendet werden kann. Und auch Forscher des Thünen-Instituts für Ländliche Räume, Wald und Fischerei haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich HMF gewinnen lässt. Sie verfolgen einen Ansatz, der auf einem neuartigen Extraktionsmittel namens Hexafluorisopropanol (HFIP) basiert. Laut Aussagen der Forscher lässt sich mit HFIP im Gegensatz zu den bisher verwendeten Stoffen deutlich mehr HMF extrahieren. Von einer um die 90-prozentigen Ausbeute ist die Rede. Die Reaktion kann im Lösemittel Wasser ablaufen. Der Siedepunkt von HFIP liegt bei 58 Grad Celsius. Es lässt sich so nach der Reaktion energiesparend durch Destillation zurückgewinnen. Auch die wässrige Reaktionsphase kann wiederverwendet werden.
Interessant auch der Ansatz von Forschern der kalifornischen Standford University. Diese nutzen für die Herstellung des Grundstoffs FDCA (Furandicarboxylsäure) „ungenießbares Pflanzenmaterial“, wie Gräser oder Abfälle, die nach der Ernte übrig geblieben sind, nebst Karbonat und CO2. Bei der Methode wird aus dem Pflanzenstoff Furan-2-Carbonsäure gewonnen, anschließend mit Cäsiumkarbonat, einem kohlenstoffhaltigen aus Kalkgestein gewonnenen Salz, vermischt und unter Zugabe von CO2 zum Schmelzen gebracht. Etwa fünf Stunden dauert es, dann haben sich 89 Prozent der Schmelze in FDCA umgewandelt, das wiederum zu PEF verarbeitet werden kann.
Zukunft bietet zahlreiche Optionen
Es ist davon auszugehen, dass Forschungsaktivitäten auch in Zukunft weitere Möglichkeiten zur Herstellung von Biokunststoffen erschließen werden, die für Getränkegebinde geeignet sind. Ob die gelernte PET-Flasche dabei mittel- bis langfristig eine Ablösung erfährt oder es sich bei den neuen Kunststoff-Varianten eher um zusätzliche Alternativen handeln wird, bleibt abzuwarten.