Die fünfte Jahreszeit: Starkbier-Saison läutet ein

Alle Jahre wieder sorgt ein typisch deutscher Bierstil für ausgelassene Feierstimmung in der Fastenzeit: Hinter traditionellem Starkbier verbirgt sich eine jahrhundertealte Historie, auf die inzwischen auch Brauer auf der ganzen Welt aufmerksam werden.

In wenigen Wochen beginnt hierzulande wieder die Starkbier-Zeit. Menschen rund um den Globus nehmen weite Reisen auf sich, um vor allem in Bayern die speziell eingebrauten Sude mit Namen wie „Celebrator“, „Maximator“ oder „Anniversator“ im Rahmen traditioneller Festivitäten in Brauereien und Wirtshäusern zu probieren. Das wahrscheinlich bekannteste und beliebteste Event für kräftige Biere findet in München auf dem Nockherberg statt – ausgerichtet von der Paulaner Brauerei, die vor mehr als 380 Jahren von Mönchen gegründet wurde. Ausgeschenkt wird auf dem Fest der „Salvator“, ein kastanienbrauner Doppelbock mit einem Alkoholgehalt von 7,9 Prozent. Er gilt als Ur-Vater der bayerischen Starkbiere.

Die Geschichte von Starkbier

Schon im 15. Jahrhundert brauten die heiligen Brüder aus der Paulaner Abtei alljährlich kräftig-malzige Sude für die Fastenzeit ein, in der sie auf feste Nahrung verzichten mussten. Um diese karge Zeit des Hungerns leichter zu überbrücken, tranken die Mönche sättigende Starkbiere. Denn in den Klöstern galt die Regel: „Flüssiges bricht das Fasten nicht“ – und schließlich erzielt der Genuss von einem Liter des deftigen Gerstensaftes fast dieselbe nahrhafte Wirkung wie der Verzehr einer ganzen Brotzeit. Bei diesen flüssigen Malzbomben handelt es sich meist um Bockbiere, die durch hohe Malzschüttung beim Brauprozess gehaltvoller als Helles, Pils & Co. sind. Vorgegeben sind laut Stilbeschreibung mindestens 16 Prozent Stammwürze und ein Alkoholgehalt von rund sieben Umdrehungen. Bei Doppelböcken liegen beide Werte noch etwas höher.

Mythen rund um den altehrwürdigen Bierstil

Doch um diesen altehrwürdigen Bierstil ranken sich einige Mythen. Eingefleischte Traditionalisten behaupten bis heute, dass Bockbier in Bayern erfunden wurde. Aber seine Geburtsstätte hat der Bock nicht in München, nicht in Berlin und auch nicht in Hamburg, sondern im niedersächsischen Einbeck. Mit 742 amtlich registrierten Brauherren war tatsächlich die Fachwerkstadt einst Deutschlands Biermetropole schlechthin. Hier wurde schon im 14. Jahrhundert erfolgreich mit kräftigem Bockbier gehandelt, das damals allerdings noch „Ainpöckisch Bier“ hieß und als langhaltbares Lebensmittel galt. Der Vertrieb ging auch in Länder wie England, Schweden und Russland. Die älteste noch vorhandene Rechnung für zwei Tonnen Einbecker Bier ist auf den 28. April 1378 datiert. Dieses Jahr gilt auch als Gründungsdatum des Einbecker Brauhauses, das die Bock-Spezialität erfand. Auch Martin Luther, der ein begnadeter Biertrinker war, soll einst gesagt haben: „Der beste Trank, den einer kennt, der wird Ainpöckisch Bier genennt“.

Wegen der schon damals hohen Qualität waren die norddeutschen Böcke aber auch bei bayerischen Herzöge und Fürsten hochbegehrt. Das Bier schmeckte ihnen so gut, dass sie einfach einen Braumeister aus Einbeck abwarben, der den Trunk in München „nach einpöckscher Brauart”, so die damalige Bezeichnung, produzieren musste. Aus diesem Wortspiel und dem bayerischen Dialekt entwickelte sich schließlich der Begriff Bockbier.

Bockbier gewinnt an weltweiter Beliebtheit

Beliebt ist dieser Bierstil aber nicht nur zur Starkbier-Zeit und auch nicht nur in Deutschland. Rund um den Globus trauen sich Brauer inzwischen an verschiedenste Rezepturen von Bockbier. Vor allem in den USA: So entwarf beispielsweise die Weyerbacher Brewing Company in Easton, nahe New York City, gleich einen 10,1-prozentigen Weizenbock namens „Brau Heist“ mit vollen Aromen von gebackener Banane. Auch im brasilianischen Blumenau führt die Eisenbahn Brauerei einen Weizenbock im Portfolio, allerdings nur mit acht Prozent. Die Macher der holländischen Braustätte Jopen dagegen kreierten eine rubinrote 6,5-prozentige Bockspezialität aus vier verschiedenen Getreidesorten namens „4-Granen Bok“. Selbst in Polen, Skandinavien und Afrika finden Connaisseurs mittlerweile frisches Bockbier. Bei vielen internationalen Brauereien gehen die Sude aber gern auch wie nach deutschem Vorbild nur saisonal über die Theken.

Mareike Hasenbeck

Mareike Hasenbeck ist freie Journalistin, Craft-Bier-Bloggerin von Feiner Hopfen sowie Biersommelière und international DLG geprüfte Sachverständige für Bier-Sensorik.