Themenwoche Prozessoptimierung: Kommunikation der Maschinen – Chance für die alkoholfreie Getränkebranche?
Reale und virtuelle Welt wachsen immer stärker zusammen. In der Industrie wird an einer Vernetzung der Maschinen gearbeitet, um die vierte industrielle Revolution, kurz Industrie 4.0, zu leben. Auch für die alkoholfreie Getränkebranche bedeutet das vor allem eines: Produktions- und Konsumprozesse stehen vor einem entscheidenden Wandel.
Die meisten maschinellen Anlagen in der Getränkebranche sind schon heute computergesteuert. Neu ist bei Industrie 4.0, dass sie in einer vernetzten Fabrik miteinander Kontakt aufnehmen. Und dass Maschinen über digitale Zwillinge in der Cloud verfügen. Gemeint sind damit digitale Abbildungen der realen Maschinen, die gleichzeitig mit ihnen erstellt und erweitert werden. Beispielsweise lassen sich mit Hilfe von digitalen Zwillingen Umrüstvorgänge und der Produktfluss über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage hinweg simulieren. Auf diese Weise können zum Beispiel neue Programmierungen frei von Risiken getestet und so lange optimiert werden bis sie für die reale Welt taugen. Genauso ist die Erstellung eines virtuellen Abbilds der realen Produktion machbar, das dieser einige Sekunden voraus ist. Das bringt nicht nur hohe Entscheidungssicherheit, sondern unterstützt auch den störungsfreien Betrieb.
Maschinen dank Vernetzung selbstständig entscheidungsfähig
Theoretisch könnte die Zukunft bei der Abfüllung und Verpackung von alkoholfreien Getränken so aussehen: Mit einem Mikrochip versehene Gebinde kommunizieren mit Abfüll- und Verpackungsmaschinen und erteilen Befehle, wie genau sie befüllt und verpackt werden möchten. Maschinen würden dank zahlreicher Sensoren und Messdaten in der Lage dazu sein, genau vorherzusagen, wann sie welche Art an Wartung benötigen. Und sie könnten durch eine Vernetzung sogar selbstständig Entscheidungen fällen. Ein Beispiel dazu: Die Verladung einer gerade erstellten Palette steht an. Die dafür zur Verfügung stehenden Roboter verständigen sich untereinander und – bildlich gesprochen – meint einer davon: „Mach‘ ich, weil ich den kürzesten Weg habe.“ Da verwundert es nicht, dass jeder vierte Job in der Industrie laut einer Studie der Boston Consulting Group im Jahr 2025 von cleveren Maschinen übernommen werden soll.
Zukunft Industrie 4.0: Individualität im Vordergrund
Maschinenhersteller machen sich bereits zahlreiche Gedanken darüber, wie sie der digitalen Zukunft begegnen können. Norman Gierow, Head of Global Product Management Market bei SIG Combibloc, meint: „Was für den einen Kunden ein Haupttreiber ist, in seinem Unternehmen intelligente Vernetzungen zu schaffen, muss nicht auch für einen anderen zutreffen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, genau hinzuschauen und gemeinsam mit dem Kunden die jeweils passende Lösung zu finden und zu implementieren. Wichtig dabei ist, dass wir in einem interdisziplinären Team genauso vernetzt zusammenarbeiten wie die Systeme, die wir entwickeln.“
Der Verpackungsmaschinenhersteller Gerhard Schubert stattet seine TLM-Verpackungsmaschinen in Zukunft mit einer Datenbox aus, die an die digitale Plattform Grips.world angeschlossen wird. Auf sie können künftig alle Mitarbeiter der Schubert-Gruppe ebenso wie Kunden, Lieferanten und die TLM-Maschinen zugreifen. Zugang erhält man über jeden Web-Browser – über PCs ebenso wie über Tablets und Smartphones. „Die Datenanalyse mit Grips.world ermöglicht uns, Probleme zu erkennen, bevor sie überhaupt entstehen. So können negative Auswirkungen auf die Produktion unserer Kunden vermieden werden“, meint dazu Marcel Kiessling, Geschäftsführer der Bereiche Vertrieb, Service und Marketing.
Cloud liefert Schnelldiagnose des Konsumentenverhaltens
Auch vor dem Konsumenten machen digitale Konzepte der Branche nicht halt. So entwickelte der Glashersteller Rastal gemeinsam mit der Telekom Deutschland das SmartGlass und die SmartBar für die Cloud. Spezielle Gläser werden hier mit Chips ausgestattet, die per NFC-Funktechnik mit einem Lesegerät an der SmartBar kommunizieren. Die smarte Theke ist über Mobilfunk mit der Cloud der Dinge der Telekom verbunden. Alle ausgelesenen Daten werden hier gespeichert und für den Gastronomen übersichtlich aufbereitet. Die Informationen lassen sich auch mit weiteren Fakten verknüpfen. So können Fragen wie, welche Getränke sind bei Sonnenschein besonders gefragt oder an welchem Wochentag gehen bestimmte alkoholfreie Getränke häufiger über die Theke, einfach beantwortet werden.
Zukunft der Getränkebranche: Bestellung auf Knopfdruck
Ein anderes Thema, das die alkoholfreie Getränkebranche in Zukunft sicher noch umfassend beschäftigen wird, ist das Thema „Einkauf per Knopfdruck“. Sogenannte „Dash Buttons“ von Amazon machen es heute schon möglich. Von der Form her erinnern sie an USB-Sticks. Ein Dash Button wird mittels Amazon-App auf dem Smartphone auf ein ganz bestimmtes Produkt programmiert – beispielsweise auf eine bestimmte Mineralwassermarke. Weil er via WLAN mit dem Internet verbunden ist, löst er auf Knopfdruck eine Bestellung aus. Das gewünschte Produkt wird sofort bei Amazon bestellt. Noch weiter gedacht könnten „Dash Buttons“ künftig auch überflüssig werden. Wenn beispielsweise der Kühlschrank in der Lage sein wird, das standardmäßig vorgegebene Getränkesortiment direkt zu ordern. Die Konsequenz für die Getränkebranche bleibt indes gleich und lautet: Neue Vertriebswege beinhalten neue Herausforderungen.
Permanent up to date bleiben und Chancen der Industrie 4.0 nutzen
Die Digitalisierung der Fertigung für die alkoholfreie Getränkebranche hält zahlreiche neue Herausforderungen bereit. Hier gilt es, permanent up to date zu sein und vor allem, Chancen zu erkennen. Das gilt für Getränkekonzerne ebenso wie für mittelständische Unternehmen. So mahnt Prof. Wolfgang Henseler, Managing Creative Director Sensory-Minds: „Wenn man den Paradigmenwechsel nicht rechtzeitig versteht, ist man ganz schnell weg vom Fenster.“
Während der drinktec wird Industrie 4.0 über alle Ausstellungsbereiche hinweg einen wesentlichen Teil einnehmen. Gerade zu dieser Thematik sind zahlreiche neue Konzepte zu erwarten. Auch das drinktec Forum rückt den Fokus auf Industrie 4.0. Dr. Tobias Voigt, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Verpackungstechnik der TU München, berichtet in diesem Rahmen über das Modellprojekt Robofill zur agentengesteuerten flexiblen Abfüllung in Losgröße 1.