Optimierte Reinigung – nur bei Bedarf

Reinigung
Orientiert man sich bei der Reinigung am Verschmutzungsgrad der Anlage, lassen sich mitunter viel Zeit und wertvolle Ressourcen wie Wasser, Chemikalien und Strom sparen (Foto: Arek Socha auf Pixabay)

Bedarfsgerechte Reinigung wird heute vielfach als Vision für eine neue Art der Reinigung betrachtet. Doch was steckt dahinter? Wie definiert sich der Bedarf einer Reinigung? Martin Löhrke, CEO der Jürgen Löhrke GmbH, Lübeck, gibt einen Einblick in die Möglichkeiten, die es bereits heute gibt, um den Anforderungen individueller Reinigungen gerecht zu werden.

Mit intelligenten Reinigungskonzepten effizienter produzieren

Themen wie der sinkende Grundwasserspiegel, Umweltschutz, steigende Energiekosten oder die zunehmende Knappheit von Ressourcen beschäftigen die Menschen rund um den Globus. Dennoch müssen gerade Getränke- und Lebensmittelproduktionen weiter die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Getränken sicherstellen. Parallel hierzu steigen die Forderungen nach nachhaltigen Produkten und umweltfreundlicheren Herstellungsverfahren. Neben diesen Aspekten sind auch betriebswirtschaftliche Faktoren nicht zu vernachlässigen, denn auch der Kosten- und Preisdruck wird kontinuierlich größer. Nicht zuletzt muss auch die Effizienz von Anlagen gewährleistet bleiben und eine möglichst hohe Produktivität erreicht werden.

Sinnerscher Kreis
Modifizierter Sinnerscher Kreis (Grafik: Loehrke)

Bedarfsgerechte Reinigung? Was bedeutet das?

Unter bedarfsgerechter Reinigung ist eine am Verschmutzungsgrad der Anlage orientierte Reinigungsintensität zu verstehen. Als Basis der Definition des dazugehörigen Reinigungskonzeptes wird häufig auf den Sinnerschen Kreis zurückgegriffen. Der Sinnersche Kreis verdeutlicht die benötigten Parameter für eine erfolgreiche Reinigung. Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht hier der Einfluss der Verschmutzung und der zu reinigenden Prozesstechnik auf das Reinigungsergebnis. Um eine wirkungsvolle und wirtschaftliche Reinigung sicherzustellen, müssen Mechanik, Temperatur, Zeit sowie Chemikalien gezielt eingesetzt werden. Wird einer der Faktoren variiert, muss zwangsläufig ein anderer Faktor die Differenz kompensieren.

Alle Teilprozesse betrachten

Oftmals stehen Betrachtungen zur Gesamtverschmutzung im Vordergrund, nicht aber die einzelnen Prozessabschnitte mit ihren unterschiedlichen Verschmutzungsgraden. Für einen optimierten Reinigungsablauf ist es aber zwingend notwendig, sich auch die Teilprozesse und deren Verschmutzungen genauer anzusehen und die Parameter der Reinigung entsprechend anzupassen. Als Grundgerüst eignet sich auch hierzu der Sinnersche Kreis.

Reinigungsaufwand und Schwallungen
Reinigungsaufwand und Schwallungen nach Hygienekonzept für Beispielprodukte  A-D (Grafik: Loehrke)

Wie definiert sich der Bedarf einer Reinigung?

In Getränke- und Lebensmittelproduktionen wird häufig strikt nach Hygienekonzept gereinigt. In diesem Konzept ist meist eine Reinigung nach einer bestimmten Produktionszeit oder einem Produktwechsel vorgesehen. Der tatsächliche Reinigungsbedarf im Produktionsprozess wird meist außer Acht gelassen, obwohl hier ein beachtliches Potential für Optimierungen liegt.

Die nachfolgende Grafik zeigt gemessene Verschmutzungen bei der Abfüllung verschiedener Produkte A, B, C, D. Die blauen Pfeile zeigen Reinigungen und Schwallungen nach einem vorgegebenen Hygieneplan. In Orange hinterlegt ist der notwendige Hygienegrad der Anlage, der eine mikrobiologisch sichere Abfüllung und somit die Einhaltung des geforderten MHDs sicherstellt. Wird dieser überschritten, kann die Sicherheit des Produktes nicht gewährleistet werden.

Reinigungsaufwand und tatsächlichem Reinigungsbedarf
Gegenüberstellung von betriebenem Reinigungsaufwand und tatsächlichem Reinigungsbedarf, dargestellt für die Beispielprodukte  A-D (Grafik: Loehrke)

Reinigungsaufwand vs. Reinigungsbedarf

Der betriebene Reinigungsaufwand kann nun dem tatsächlichen Reinigungsbedarf gegenübergestellt werden, wie die folgende Abbildung darstellt. Nach der Produktion erfolgt die Reinigung standardisiert entsprechend der im Hygieneplan festgelegten Vorgaben (orange Linie), die dem wirklichen Verschmutzungsgrad der Anlage nach Produktionsende (kleine grüne Balken) meist nicht entspricht. Während die Reinigungsparameter für die Verschmutzungen der Produkte A, B und D zu hoch angesetzt sind, übersteigt die Schmutzfracht nach Produkt C die Reinigungsleistung der voreingestellten Parameter, wodurch eine Produktkontamination der nachfolgenden Produktionen durch unzureichende Reinigung nicht ausgeschlossen werden kann.

Optimierung der Produktionszeit Reinigung
Optimierung der Produktionszeit durch bedarfsgerechte Reinigung (Grafik: Loehrke)

Hygiene-Monitoring und Hygiene-Controlling

Mittels neuer Sensortechnologien wie dem Einsatz eines Biofilmsensors ist es möglich, die Entwicklung des Biofilms zu verfolgen. Auch mineralische Ablagerungen werden dabei berücksichtigt. Aufgenommene Ergebnisse werden ergänzend durch mikrobiologische Probenahmen untersucht, um Aussagen zu Produktresten, Ablagerungen und Kontaminationen zu treffen und so eine Gesamteinschätzung des Hygienezustands einer Anlage abzugeben.

Durch die Integration des Sensors in ein angepasstes Trägersystem sind reproduzierbare Messungen möglich. Hygienekritische Anlagenbereiche können so kontinuierlich bei jeweiligem Bedarf gereinigt bzw. desinfiziert werden. So können die Reinigungsabläufe optimiert und lange Standardreinigungsprogramme mit Risikopuffer vermieden werden. Der Produktabfüllprozess gewinnt an Sicherheit und neue Produktionszeit wird gewonnen.

Bedarfsorientierte Reinigung: Methoden und Vorteile

Bedarfsgerechte Reinigung ist kein Thema der Zukunft. Schon heute ist bei vielen Betrieben zu sehen, dass Systeme in unterschiedlichen Abschnitten verschiedene Verschmutzungsgrade zeigen. Mittels optischer Methoden wie Kamerasystemen oder Fluoreszenzanalysen oder mittels anderer Messtechnik können besonders kritische Abschnitte im Produktionsprozess identifiziert und untersucht werden. Aktuell verfügbare Sensortechniken überwachen dabei Parameter wie Temperatur, Durchfluss, Leitwert, Druck, pH-Wert und Redox. Neuere Sensortechnologien messen auch den Biofilm oder die Verschmutzung.

Nicht nur das Wann, auch das Wie der Reinigung differenziert abstimmen

Zur Unterstützung der detaillierten Prozessbetrachtung empfiehlt es sich, einen Biofilmsensor in den Prozess zu integrieren, der nach Möglichkeit mittels eines Trägersystems netzwerkartig versetzt werden kann und somit viele Messpunkte liefert. So ist die Etablierung einer differenzierten und bedarfsgerechten Reinigung möglich, die auf den Produktionsprozess abgestimmt ist. Die Reinigungszyklen (Häufigkeit) und die Rezeptur der Reinigungsmedien (chemische Produkte, Konzentrationen) können mittels des Biofilms und ergänzenden mikrobiologischen Untersuchungen genau auf den jeweiligen Produktionsabschnitt angepasst werden.

Je nach Objekt bietet es sich an, neben der ganzheitlichen Reinigung auch spezielle Lösungen für besonders belastete Bereiche auszuarbeiten und bei den Konzepten auf möglichst geringe Chemikalienkonzentrationen, effiziente Anwendungszeiten und optimierte, niedrige Reinigungstemperaturen. Bei den Chemikalien kann der Anwender das für seine jeweilige Applikationen jeweils beste chemische Produkt frei wählen.

Fazit

Echtzeit-Messungen gewinnen kontinuierlich an Relevanz. Umweltfreundliche Reinigungskonzepte und Einsparungen von Ressourcen sind wichtig. Mittels Biofilmsensoren können Unternehmen Daten über ihren Produktionsprozess aufnehmen, sammeln und diese über Software visualisieren und analysieren. Der Einsatz moderner Technologien im Bereich der Prozessreinigung optimiert den Verbrauch wertvoller Ressourcen wie Wasser und Energie und minimiert den Einsatz von Chemikalien.


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