Digitale Handelsdokumente
![digitale Lieferschein](https://drinktec-blog.b-rex.de/wp-content/uploads/2022/08/Einleitungsbild-Lichtpfade-Jon-Pauling-Pixabay-1024x484.jpg)
Mit dem für Ende 2022 geplanten Rollout der zentralen Plattform Cloud4Log, über die digitale Lieferscheine und perspektivisch alle Arten von Transportdokumenten ausgetauscht werden können. Oliver Püthe, GS1 Germany, stellt im vorliegenden Beitrag da, wie das aufwändige Handling von Papier-Lieferscheinen entlang der Supply Chain damit in Zukunft entfallen kann.
Der digitale Lieferschein kommt
In Zeiten zunehmender Digitalisierung wirken die nach wie vor durch hohen manuellen Aufwand geprägten Liefer- und Transportprozesse entlang der Supply Chain anachronistisch. Das Problem am Beispiel der Brau- und Getränkebranche: Getränkelieferungen zu den Großhändlern oder den Verteilzentren des Einzelhandels werden grundsätzlich von physischen Lieferscheinen begleitet. Die Transporteure nehmen die vom Lieferanten ausgedruckten Papiere mit auf eine lange Reise. Während dieser gehen die Dokumente durch viele Hände, werden abgezeichnet, kopiert und eingescannt, bis sie schließlich nach Auslieferung der Ware in der Zentrale des Logistikunternehmens in der Ablage oder nach digitaler Erfassung sogar im Papierkorb landen. Dieser Prozess verbraucht unnötig Ressourcen, ist personalintensiv, zeitaufwändig und fehleranfällig.
Neutrale und zentrale Cloud-Plattform
Durch die Einführung des digitalen Lieferscheins kann dies behoben und dem aufwändigen Handling der Papierbelege endlich ein Ende bereitet werden. Ende Oktober 2022 soll mit Cloud4Log eine zentrale Plattform live geschaltet werden, über die Hersteller, Logistikunternehmen und Händler digitale Transportdokumente austauschen können.
Cloud4Log ist ein Kooperationsprojekt der Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V. und der GS1 Germany GmbH, an dem derzeit über 30 Unternehmen aus Industrie, Logistik und Handel teilnehmen.
Die von den Projektpartnern gemeinsam entwickelte Lösung basiert auf einer neutralen Cloud-Plattform. Über diese stehen die digitalen Lieferscheine allen Supply Chain-Partnern für die Dauer des Lieferprozesses und zehn Wochen darüber hinaus zur Verfügung. Ausdruck, Weitergabe, Transport und Quittierung des Papierbelegs sind somit überflüssig.
![Unterzeichnung eines digitalen Lieferscheins im Wareneingang](https://drinktec-blog.b-rex.de/http://drinktec-blog.b-rex.de/wp-content/uploads/2022/08/Abb1-Kontrolleur-unterschreibt-REWE-2022-1920x1080.jpg)
Der Prozess im Detail
Der Verlader auf Lieferantenseite legt die Lieferscheine in der Cloud ab. GS1 Identifikationsstandards sorgen dafür, dass das digitale Dokument eindeutig der jeweiligen Lieferung zugeordnet werden kann. Übernimmt der Logistikdienstleister die Ladung, scannt der Fahrer einen im Warenausgang des Herstellers erzeugten QR-Code. Er braucht dafür lediglich ein Smartphone mit Scanfunktion (über die integrierte Kamera). Der Link zum digitalen Lieferschein wird als Karte im Smartphone Wallet des Fahrers hinterlegt; eine Funktion, die bereits von Flugtickets oder Konzertkarten bekannt ist.
Während des Transports sind die digitalen Lieferscheindokumente jederzeit abrufbar und können bei Kontrollen vorgezeigt werden. Im Wareneingang des Händlers wird der digitale Lieferschein wieder per Scan des QR-Codes auf dem Smartphone des Fahrers aus der Cloud zur weiteren Bearbeitung eingelesen und kann hier abgezeichnet werden.
Dokumentation in Echtzeit
Mengenabweichungen und Lademitteltausch sowie Wareneingangsbelege können dem digitalen Lieferschein in Echtzeit in der Cloud angefügt werden. Die Quittierung durch Empfänger und Fahrer versetzt den Lieferschein in einen abgeschlossenen, nicht mehr änderbaren Archivierungsstatus.
Durch die Cloud-Lösung wird vermieden, dass der Lieferschein auf mehreren digitalen Endgeräten der Frachtführer liegt. Somit haben immer nur die jeweils unmittelbar Prozessbeteiligten Zugriff auf den jeweils aktuellsten Stand der Dokumente.
Offene Schnittstelle, einfache technische Anbindung
Die Besonderheit der Cloud4Log-Lösung liegt in der Neutralität der Plattform und dem Community-Gedanken. Dieser Ansatz stellt sicher, dass die Interessen aller Prozessbeteiligten berücksichtigt werden. Eine offene, standardisierte Schnittstelle ermöglicht Versendern, Empfängern und Logistikdienstleistern die diskriminierungsfreie technische Anbindung. Sie können dabei bereits bestehende Applikationsanbieter nutzen, wenn diese die entsprechenden Funktionalitäten in ihren Systemen ergänzen. So lassen sich digitale Transportdokumente über eine zentrale Instanz zwischen unterschiedlichen Supply Chain-Partnern austauschen und nach einem standardisierten Verfahren mit Informationen anreichern.
Durch den Aufbau einer Plattform mit einer offenen Schnittstelle wird Anbietervielfalt sichergestellt und damit die Monopolstellung eines einzelnen Anbieters vermieden. Die neutralen Rollen von BVL und GS1 Germany als Anbieter und Betreiber der Lösung gewährleisten, dass die Eintrittsbarrieren niedrig sind und der Service für Teilnehmer in allen Branchen und Märkten zur Verfügung steht. Bereits bestehende unternehmens- oder branchenspezifische Insellösungen für digitale Lieferscheine sind integrierbar.
Datensicherheit gewährleistet
Zurzeit entwickelt T-Systems die technische Plattform-Infrastruktur und geeignete Front-End-Lösungen. Die Daten werden bei Cloud4Log über die Open Telekom Cloud (OTC) verarbeitet. Die Zusammenarbeit mit der Telekom-Tochter garantiert die Datenspeicherung und -verarbeitung über einen in Deutschland betriebenen Server und damit Datenschutz und -sicherheit nach europäischem Recht. Dies war eine der zentralen Anforderungen, die die Projektbeteiligten aus Industrie, Logistik und Handel in dem Vorgängerprojekt zur Entwicklung des digitalen Lieferscheins formuliert hatten.
![Projekt digitaler Lieferschein](https://drinktec-blog.b-rex.de/http://drinktec-blog.b-rex.de/wp-content/uploads/2022/08/Abb2-Infografik-digitaler-Lieferschein-2022-1920x1080.jpg)
Einfache Bedienbarkeit
Die einfache Bedienbarkeit der Lösung war eine weitere wichtige Forderung des Projektteams, da es an den Rampen und bei den Transportunternehmen häufig zu Mitarbeiterwechseln kommt. Lange Einarbeitungszeiten und die Ausstattung mit spezieller Hardware würden die Akzeptanz des digitalen Lieferscheins deutlich erschweren, so die Befürchtung der Projektbeteiligten. Auch die Speicherung der Daten auf unzähligen Endgeräten wurde als problematisch beurteilt.
Dass die gemeinsam entwickelte Lösung für den digitalen Lieferschein diesen Anforderungen entspricht und auch die Bedürfnisse und Erwartungen der Anwender entlang der Supply Chain berücksichtigt, hat der im vergangenen Jahr durchgeführte Praxistest gezeigt: Vier Wochen lang haben 20 Unternehmen eine prototypische Lösung für den digitalen Lieferschein mittels einer Web-App installiert auf der Open Telekom Cloud und unter Nutzung des GS1 Standards GDTI (Global Document Type Identifier) zur eindeutigen und überschneidungsfreien Identifikation des Lieferscheins genutzt. Dabei wurden von den verladenden Unternehmen für 160 Transporte mehr als 228 digitale Lieferscheine ausgetauscht und es waren 159 Nutzer und Nutzerinnen beteiligt. Das Ergebnis: 68 Prozent der befragten Anwender würden die Lösung zur digitalen Abwicklung von Lieferscheinen gerne weiternutzen. Den Usern gefiel insbesondere die kontaktlose Übergabe des Dokuments mithilfe des QR-Code-Scans, die digitale Unterschrift sowie die Einsparung des Lieferscheindrucks.
Lieferprozesse werden schneller
Der Test machte zudem deutlich, dass durch die Digitalisierung des Prozesses deutlich weniger Rechnungskorrekturen und Gutschriften erforderlich werden. Des Weiteren entfällt bei den Spediteuren der gesamte Dokumentationsaufwand von Lieferscheinen – vom Einscannen übers Archivieren bis zur Auskunftspflicht. Die 228 eingesparten Papier-Lieferscheine während des vierwöchigen Praxistests tragen zur Erhöhung der Nachhaltigkeit der Logistikprozesse bei.
Insgesamt hat der Praxischeck an den Rampen noch einmal das massive Optimierungspotenzial offengelegt, das durch den digitalen Lieferschein realisiert werden kann. Er schafft die Voraussetzung für Automatisierung und echte Prozesseffizienz. Die digitale Verfügbarkeit der Daten sorgt für maximale Transparenz bei der Sendungsverfolgung und die Echtzeitlieferrückmeldung beschleunigt die Reklamations- und Abrechnungsprozesse zwischen Verkäufer und Käufer. Der manuelle Aufwand, der mit dem Handling der Transportpapiere in Form von Ausfüllen, Aushändigen, Transportieren, Scannen und Ablegen verbunden war, entfällt komplett. Dies entlastet nicht nur die Mitarbeiter beim Warenausgang und -eingang, sondern vor allem auch die Fahrer, die bisher für den Transport der Dokumente verantwortlich waren.
Zeitplan und Erweiterungen
Ende Oktober 2022 möchten die BVL und GS1 Germany die Cloud4Log-Lösung freischalten. Sie wird in vielen Branchen für den Warenverkehr von den Lieferanten zum Handel sofort einsetzbar sein. In der endgültigen Fassung ist es dann auch möglich, dem digitalen Lieferschein einen maschinenlesbaren Anhang anzufügen. So werden die Informationen über die gelieferte Ware automatisch in die ERP-Systeme der Empfänger übernommen und kontrolliert.
Die manuelle Prüfung der Papierbelege entfällt somit. Dies setzt im Clearingprozess zusätzlich erhebliche personelle Ressourcen frei. Außerdem sind weitere potenziell synergieschaffende Funktionalitäten in Planung, die die Effizienz entlang der Supply Chain weiter erhöhen. Dazu gehören beispielsweise eine sogenannte digitale Pforte, über die die Fahrer alle notwendigen Informationen, wie z. B. Parkplatz und Entladetor, auf ihr Smartphone erhalten sowie ein digitaler Self-Check-in-Service für die Fahrer. Der digitale Lieferschein ist ein wichtiger Baustein für durchgängig digitale Geschäftsprozesse in der Transportlogistik. Für interessierte Unternehmen stehen auf der Website www.cloud4log.de weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung für einen Demo-Termin bereit.
Zusammenfassung
Der Abwicklungsprozess an den Rampen von Brauereien und Handel ist heute noch stark durch das Aushändigen, Annehmen und Bearbeiten von Papier-Lieferscheinen gekennzeichnet. Eine Brancheninitiative mit über 30 Unternehmen aus Industrie, Logistik und Handel befasst sich unter der Leitung der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und GS1 Germany mit der Einführung des digitalen Lieferscheins, um die manuellen und aufwändigen Prozesse zu digitalisieren. Nach erfolgreichem Praxistest im vergangenen Jahr soll im Dezember 2022 das Roll-out der kollaborativ entwickelten Lösung Cloud4Log erfolgen. Über diese neutrale Cloud-Plattform mit offenen Schnittstellen können die an der Lieferkette beteiligten Unternehmen Lieferscheine und weitere Transportdokumente austauschen, ohne dass diese ausgedruckt und physisch übergeben werden. Die Lösung bereitet der Zettelwirtschaft entlang der Supply Chain in der Braubranche ein Ende und birgt ein hohes Potenzial für schnellere und kostengünstigere Logistikprozesse zu Gunsten aller Beteiligten in der Braubranche.
Sie möchten sich mit einem internationalen Fachpublikum über die Entwicklungen der Getränkeindustrie austauschen? Dann laden wir Sie herzlich ein, an der nächsten drinktec vom 12. bis 16. September 2022 in München teilzunehmen.
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